Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 167

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 5. Man hat die Erde nach allen Gegenden umschifft, was nicht möglich      
  02 gewesen wäre, hätte sie keine runde Gestalt*).      
           
  03 Jene vorhin erwähnte sphäroidische Gestalt der Erde rührt daher,      
  04 weil alle Materie, die nach den Polen zu liegt, sich zufolge der Gesetze der      
  05 Schwere und der Schwungkraft gegen den Äquator hin sammelt und um      
  06 denselben anhäuft, welches auch geschehen würde, wenn die Erde ganz      
  07 vom Wasser umflossen wäre, und zwar deshalb, weil um den Pol gar      
  08 keine, bei dem Äquator aber die stärkste Bewegung stattfindet, daher auch      
  09 der Durchschnitt, welcher durch die beiden Pole geht (die Erdaxe), kleiner      
  10 ist als der Äquator. Newton hat bewiesen, daß ein jeder sich frei bewegender      
  11 Körper diese Gestalt annehmen müsse.      
           
  12 Ist nun aber die Figur der Erde eine Sphäroide: so giebt es auch      
  13 Antipoden, die wie wir den Himmel über sich und die Erde unter ihren      
  14 Füßen haben. Die gemeine Meinung, als müßten diejenigen, die unter      
  15 uns wohnen und uns die Füße zukehren, herunterfallen, ist pöbelhaft,      
  16 denn nach den Gesetzen der Schwere, die aus der Anziehung der Erde      
  17 entspringen, muß sich alles auf der Erde nach dem Mittelpunkte derselben      
  18 bewegen, so daß auch nicht das kleinste Partikelchen sich von ihr zu entfernen      
  19 im Stande ist. Wenn ein Körper durch die Erde auf die andere,      
  20 entgegenstehende Seite derselben fallen könnte: so würde er nicht unten,      
  21 sondern wieder oben sein. Denn ein Körper, der eben so viel steigt, als      
  22 er gefallen war, steht nicht unten, sondern oben. Jeder Körper fällt nur      
  23 bis in das Centrum; von da an muß er wieder steigen. Die Kraft aber,      
  24 die ihn bis in das Centrum trieb, würde ihn auch weiter treiben, triebe      
  25 ihn nicht seine Schwere dagegen wieder zurück. Man kann hiermit die      
  26 Lehre vom Pendel vergleichen.      
           
  27 Weil nun das bisher bekannt gewordene feste Land nebst den Bergen      
  28 beinahe allein auf der einen und zwar nördlichen Halbkugel der Erde,      
  29 das Wasser aber hauptsächlich auf der entgegengesetzten Hemisphäre befindlich      
  30 ist: so hat man vermuthet, daß auch im Süden noch ungleich      
  31 mehr Land, als bis jetzt entdeckt ist, vorhanden sein müsse, und zwar aus      
  32 dem Grunde, weil man sich sonst keine Auskunft darüber zu geben im      
  33 Stande war, wie die Erde ihr Gleichgewicht behalten könne. Man sollte      
           
    *) Ein ziemlich genaues Verzeichniß dieser Reisen um die Welt, wie man sie zu nennen pflegt, giebt Fabri a. a. O. S. 10. u. f. Auch zählt er die ältern Meinungen von der Gestalt der Erde S. 7. u. f. auf. Noch mehrere Gründe für die runde Gestalt der Erde liefert fast jede physische Geographie.      
           
     

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