Kant: AA VIII, Zum ewigen Frieden. Ein ... , Seite 357

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Gesetzen, sondern nach einseitigen Maximen durch Gewalt, was Recht sei,      
  02 zu bestimmen), es müßte denn darunter verstanden werden: daß Menschen,      
  03 die so gesinnt sind, ganz recht geschieht, wenn sie sich unter einander aufreiben      
  04 und also den ewigen Frieden in dem weiten Grabe finden, das alle      
  05 Gräuel der Gewaltthätigkeit sammt ihren Urhebern bedeckt. - Für Staaten      
  06 im Verhältnisse unter einander kann es nach der Vernunft keine andere      
  07 Art geben, aus dem gesetzlosen Zustande, der lauter Krieg enthält, herauszukommen,      
  08 als daß sie eben so wie einzelne Menschen ihre wilde (gesetzlose)      
  09 Freiheit aufgeben, sich zu öffentlichen Zwangsgesetzen bequemen und so      
  10 einen (freilich immer wachsenden) Völkerstaat ( civitas gentium ), der      
  11 zuletzt alle Völker der Erde befassen würde, bilden. Da sie dieses aber      
  12 nach ihrer Idee vom Völkerrecht durchaus nicht wollen, mithin, was in      
  13 thesi richtig ist, in hypothesi verwerfen, so kann an die Stelle der positiven      
  14 Idee einer Weltrepublik (wenn nicht alles verloren werden soll) nur      
  15 das negative Surrogat eines den Krieg abwehrenden, bestehenden und      
  16 sich immer ausbreitenden Bundes den Strom der rechtscheuenden, feindseligen      
  17 Neigung aufhalten, doch mit beständiger Gefahr ihres Ausbruchs      
  18 ( Furor impius intus - fremit horridus ore cruento. Virgil)*).      
           
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Dritter Definitivartikel zum ewigen Frieden.
     
  20
"Das Weltbürgerrecht soll auf Bedingungen der allgemeinen Hospitalität
     
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eingeschränkt sein."
     
           
  22 Es ist hier wie in den vorigen Artikeln nicht von Philanthropie,      
  23 sondern vom Recht die Rede, und da bedeutet Hospitalität (Wirthbarkeit)      
           
    *) Nach einem beendigten Kriege, beim Friedensschlusse, möchte es wohl für ein Volk nicht unschicklich sein, daß nach dem Dankfeste ein Bußtag ausgeschrieben würde, den Himmel im Namen des Staats um Gnade für die große Versündigung anzurufen, die das menschliche Geschlecht sich noch immer zu schulden kommen läßt, sich keiner gesetzlichen Verfassung im Verhältniß auf andere Völker fügen zu wollen, sondern stolz auf seine Unabhängigkeit lieber das barbarische Mittel des Krieges (wodurch doch das, was gesucht wird, nämlich das Recht eines jeden Staats, nicht ausgemacht wird) zu gebrauchen. - Die Dankfeste während dem Kriege über einen erfochtenen Sieg, die Hymnen, die (auf gut israelitisch) dem Herrn der Heerschaaren gesungen werden, stehen mit der moralischen Idee des Vaters der Menschen in nicht minder starkem Contrast: weil sie außer der Gleichgültigkeit wegen der Art, wie Völker ihr gegenseitiges Recht suchen (die traurig genug ist), noch eine Freude hineinbringen, recht viel Menschen oder ihr Glück zernichtet zu haben.      
           
     

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