Kant: AA VIII, Das Ende aller ... , Seite 332 |
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01 | Verlust von Treu und Glauben; oder in den an allen Erdenden sich entzündenden | ||||||
02 | blutigen Kriegen etc.: mit einem Worte, an dem moralischen | ||||||
03 | Verfall und der schnellen Zunahme aller Laster sammt den sie begleitenden | ||||||
04 | Übeln, dergleichen, wie sie wähnen, die vorige Zeit nie sah. Andre dagegen | ||||||
05 | in ungewöhnlichen Naturveränderungen, an den Erdbeben, Stürmen | ||||||
06 | und Überschwemmungen, oder Kometen und Luftzeichen. | ||||||
07 | In der That fühlen nicht ohne Ursache die Menschen die Last ihrer | ||||||
08 | Existenz, ob sie gleich selbst die Ursache derselben sind. Der Grund davon | ||||||
09 | scheint mir hierin zu liegen. - Natürlicherweise eilt in den Fortschritten | ||||||
10 | des menschlichen Geschlechts die Cultur der Talente, der Geschicklichkeit | ||||||
11 | und des Geschmacks (mit ihrer Folge, der Üppigkeit) der Entwicklung der | ||||||
12 | Moralität vor; und dieser Zustand ist gerade der lästigste und gefährlichste | ||||||
13 | für Sittlichkeit sowohl als physisches Wohl: weil die Bedürfnisse viel | ||||||
14 | stärker anwachsen, als die Mittel sie zu befriedigen. Aber die sittliche Anlage | ||||||
15 | der Menschheit, die (wie Horazens poena pede claudo ) ihr immer nachhinkt, | ||||||
16 | wird sie, die in ihrem eilfertigen Lauf sich selbst verfängt und oft | ||||||
17 | stolpert, (wie man unter einem weisen Weltregierer wohl hoffen darf) dereinst | ||||||
18 | überholen; und so sollte man selbst nach den Erfahrungsbeweisen des | ||||||
19 | Vorzugs der Sittlichkeit in unserm Zeitalter in Vergleichung mit allen | ||||||
20 | vorigen wohl die Hoffnung nähren können, daß der jüngste Tag eher mit | ||||||
21 | einer Eliasfahrt, als mit einer der Rotte Korah ähnlichen Höllenfahrt eintreten | ||||||
22 | und das Ende aller Dinge auf Erden herbeiführen dürfte. Allein dieser | ||||||
23 | heroische Glaube an die Tugend scheint doch subjectiv keinen so allgemeinkräftigen | ||||||
24 | Einfluß auf die Gemüther zur Bekehrung zu haben, als der an | ||||||
25 | einen mit Schrecken begleiteten Auftritt, der vor den letzten Dingen als | ||||||
26 | vorhergehend gedacht wird. | ||||||
27 | Anmerkung. Da wir es hier bloß mit Ideen zu thun haben (oder | ||||||
28 | damit spielen), die die Vernunft sich selbst schafft, wovon die Gegenstände | ||||||
29 | (wenn sie deren haben) ganz über unsern Gesichtskreis hinausliegen, die | ||||||
30 | indeß, obzwar für das speculative Erkenntniß überschwenglich, darum doch | ||||||
31 | nicht in aller Beziehung für leer zu halten sind, sondern in praktischer | ||||||
32 | Absicht uns von der gesetzgebenden Vernunft selbst an die Hand gegeben | ||||||
33 | werden, nicht etwa um über ihre Gegenstände, was sie an sich und ihrer | ||||||
34 | Natur nach sind, nachzugrübeln, sondern wie wir sie zum Behuf der moralischen, | ||||||
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