Kant: AA VIII, Einige Bemerkungen zu Ludwig ... , Seite 152 |
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01 | Widerlegung jener Anmaßungen, so gut sie auch gemeint sein mögen, der | ||||||
02 | Sache selbst, weit gefehlt nachtheilig zu sein, vielmehr sehr beförderlich, ja | ||||||
03 | unumgänglich nöthig. | ||||||
04 | Diese hat nun der Herr Verfasser des gegenwärtigen Werks übernommen, | ||||||
05 | und nachdem er mir ein kleines Probestück desselben mitgetheilt | ||||||
06 | hat, welches von seinem Talent der Einsicht sowohl als Popularität zeugt, | ||||||
07 | mache ich mir ein Vergnügen, diese Schrift mit einigen Betrachtungen, | ||||||
08 | welche in diese Materie einschlagen, zu begleiten. | ||||||
09 | In den Morgenstunden bedient sich der scharfsinnige Mendelssohn, | ||||||
10 | um dem beschwerlichen Geschäfte der Entscheidung des Streits der | ||||||
11 | reinen Vernunft mit ihr selbst durch vollständige Kritik dieses ihres Vermögens | ||||||
12 | überhoben zu sein, zweier Kunststücke, deren sich auch wohl sonst | ||||||
13 | bequeme Richter zu bedienen pflegen, nämlich den Streit entweder gütlich | ||||||
14 | beizulegen, oder ihn als für gar keinen Gerichtshof gehörig abzuweisen. | ||||||
16 | Die erste Maxime steht S. 214 erste Auflage: Sie wissen, wie | ||||||
17 | sehr ich geneigt bin, alle Streitigkeiten der philosophischen | ||||||
18 | Schulen für bloße Wortstreitigkeiten zu erklären, oder doch | ||||||
19 | wenigstens ursprünglich von Wortstreitigkeiten herzuleiten; | ||||||
20 | und dieser Maxime bedient er sich fast durch alle polemische | ||||||
21 | Artikel des ganzen Werks. Ich bin hingegen einer ganz entgegengesetzten | ||||||
22 | Meinung und behaupte, daß in Dingen, worüber man, vornehmlich | ||||||
23 | in der Philosophie, eine geraume Zeit hindurch gestritten hat, niemals | ||||||
24 | eine Wortstreitigkeit zum Grunde gelegen habe, sondern immer eine | ||||||
25 | wahrhafte Streitigkeit über Sachen. Denn obgleich in jeder Sprache | ||||||
26 | einige Worte in mehrerer und verschiedener Bedeutung gebraucht werden, | ||||||
27 | so kann es doch gar nicht lange währen, bis die, so sich im Gebrauche | ||||||
28 | desselben Anfangs veruneinigt haben, den Mißverstand bemerken und sich | ||||||
29 | an deren Statt anderer bedienen: daß es also am Ende eben so wenig | ||||||
30 | wahre Homonyma als Synonyma giebt. So suchte Mendelssohn den | ||||||
31 | alten Streit über Freiheit und Naturnothwendigkeit in Bestimmungen | ||||||
32 | des Willens (Berl. M. S. Jul. 1783) auf bloßen Wortstreit | ||||||
33 | zurück zu führen, weil das Wort müssen in zweierlei verschiedener Bedeutung | ||||||
34 | (theils bloß objectiver, theils subjectiver) gebraucht wird; aber es | ||||||
35 | ist (um mit Humen zu reden), als ob er den Durchbruch des Oceans mit | ||||||
36 | einem Strohwisch stopfen wollte. Denn schon längst haben Philosophen | ||||||
37 | diesen leicht mißbrauchten Ausdruck verlassen und die Streitfrage auf die | ||||||
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