Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 253

   
         
 

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  01 daß sie ungestüm und hitzig wären "wie die Tatarn", diese aber jenen,    
  02 daß sie ausgemachte (aber gelassene) Betrüger sind, die sich durch diesen    
  03 Vorwurf in ihrer Leidenschaft gar nicht irre machen lassen. - - Affect    
  04 ist wie ein Rausch, der sich ausschläft, Leidenschaft als ein Wahnsinn    
  05 anzusehen, der über einer Vorstellung brütet, die sich immer tiefer einnistelt.    
  06 Wer liebt, kann dabei doch wohl noch sehend bleiben; der sich    
  07 aber verliebt, wird gegen die Fehler des geliebten Gegenstandes unvermeidlich    
  08 blind, wiewohl der letztere acht Tage nach der Hochzeit sein Gesicht    
  09 wieder zu erlangen pflegt. Wem der Affect wie ein Raptus anzuwandeln    
  10 pflegt, der ist, so gutartig jener auch sein mag, doch einem    
  11 Gestörten ähnlich; weil es ihn aber schnell darauf reuet, so ist es nur ein    
  12 Paroxysm, den man Unbesonnenheit betitelt. Mancher wünscht wohl    
  13 sogar, daß er zürnen könne, und Sokrates war im Zweifel, ob es nicht    
  14 auch manchmal gut wäre zu zürnen; aber den Affect so in seiner Gewalt    
  15 zu haben, daß man kaltblütig überlegen kann, ob man zürnen solle oder    
  16 nicht, scheint etwas Widersprechendes zu sein. - Leidenschaft dagegen    
  17 wünscht sich kein Mensch. Denn wer will sich in Ketten legen lassen, wenn    
  18 er frei sein kann?    
         
  19

Von den Affecten insbesondere.

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 254)]    
         
  20

A.

[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 472) ]    
  21

Von der Regierung des Gemüths in Ansehung der Affecten.

   
         
  22 § 75. Das Princip der Apathie: das nämlich der Weise niemals    
  23 im Affect, selbst nicht in dem des Mitleids mit den Übeln seines besten    
  24 Freundes sein müsse, ist ein ganz richtiger und erhabener moralischer    
  25 Grundsatz der stoischen Schule; denn der Affect macht (mehr oder weniger)    
  26 blind. - Daß gleichwohl die Natur in uns die Anlage dazu eingepflanzt    
  27 hat, war Weisheit der Natur, um provisorisch, ehe die Vernunft noch    
  28 zu der gehörigen Stärke gelangt ist, den Zügel zu führen, nämlich den    
  29 moralischen Triebfedern zum Guten noch die des pathologischen (sinnlichen)    
  30 Anreizes, als einstweiliges Surrogat der Vernunft, zur Belebung    
  31 beizufügen. Denn übrigens ist Affect, für sich allein betrachtet, jederzeit    
  32 unklug; er macht sich selbst unfähig, seinen eigenen Zweck zu verfolgen,    
  33 und es ist also unweise ihn in sich vorsetzlich entstehen zu lassen. - Gleichwohl    
  34 kann die Vernunft in Vorstellung des Moralisch=Guten durch Verknüpfung    
         
     

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