Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 220 |
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01 | gehabt haben will, und er hat damit vielleicht nur eine Ähnlichkeit | ||||||
02 | seines Gefühls mit diesem Absprunge, nicht das Sehen dieser Fliegen andeuten | ||||||
03 | wollen. | ||||||
04 | Die Verrückung mit Wuth ( rabies ), einem Affecte des Zorns (gegen | ||||||
05 | einen wahren oder eingebildeten Gegenstand), welcher ihn gegen alle Eindrücke | ||||||
06 | von außen unempfindlich macht, ist nur eine Spielart der Störung, | ||||||
07 | die öfters schreckhafter aussieht, als sie in ihren Folgen ist, welche wie der | ||||||
08 | Paroxysm in einer hitzigen Krankheit nicht sowohl im Gemüth gewurzelt, | ||||||
09 | als vielmehr durch materielle Ursachen erregt wird und oft durch den Arzt | ||||||
10 | mit einer Gabe gehoben werden kann. | ||||||
11 | Von den Talenten im Erkenntnißvermögen. |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 232)] | |||||
12 | § 54. Unter Talent (Naturgabe) versteht man diejenige Vorzüglichkeit | ||||||
13 | des Erkenntnißvermögens, welche nicht von der Unterweisung, sondern | ||||||
14 | der natürlichen Anlage des Subjects abhängt. Sie sind der productive | ||||||
15 | Witz ( ingenium strictus s. materialiter dictum ), die Sagacität und | ||||||
16 | die Originalität im Denken (das Genie). | ||||||
17 | Der Witz ist entweder der vergleichende ( ingenium comparans ), | ||||||
18 | oder der vernünftelnde Witz ( ingenium argutans ). Der Witz paart | ||||||
19 | (assimilirt) heterogene Vorstellungen, die oft nach dem Gesetze der Einbildungskraft | ||||||
20 | (der Association) weit auseinander liegen, und ist ein eigenthümliches | ||||||
21 | Verähnlichungsvermögen, welches dem Verstande (als dem | ||||||
22 | Vermögen der Erkenntniß des Allgemeinen), so fern er die Gegenstände | ||||||
23 | unter Gattungen bringt, angehört. Er bedarf nachher der Urtheilskraft, | ||||||
24 | um das Besondere unter dem Allgemeinen zu bestimmen und das Denkungsvermögen | ||||||
25 | zum erkennen anzuwenden. - Witzig (im Reden oder | ||||||
26 | Schreiben) zu sein, kann durch den Mechanism der Schule und ihren | ||||||
27 | Zwang nicht erlernt werden, sondern gehört, als ein besonderes Talent, | ||||||
28 | zur Liberalität der Sinnesart in der wechselseitigen Gedankenmittheilung | ||||||
29 | ( veniam damus petimusque vicissim ); einer schwer zu erklärenden | ||||||
30 | Eigenschaft des Verstandes überhaupt - gleichsam seiner Gefälligkeit - , | ||||||
31 | die mit der Strenge der Urtheilskraft ( iudicium discretivum ) | ||||||
32 | in der Anwendung des Allgemeinen auf das Besondere (der Gattungsbegriffe | ||||||
33 | auf die der Species) contrastirt, als welche das Assimilationsvermögen | ||||||
34 | sowohl, als auch den Hang dazu einschränkt. | ||||||
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