Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 155

   
         
 

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  01 scheinen nur die Gegenwart desselben, nicht die Erkundigung der Gestalt    
  02 zur Absicht zu haben. - Dieser Sinn ist auch der einzige von unmittelbarer    
  03 äußerer Wahrnehmung; eben darum auch der wichtigste und am    
  04 sichersten belehrende, dennoch aber der gröbste: weil die Materie fest sein    
  05 muß, von deren Oberfläche der Gestalt nach wir durch Berührung belehrt    
  06 werden sollen. (Von der Vitalempfindung, ob die Oberfläche sanft oder    
  07 unsanft, viel weniger noch, ob sie warm oder kalt anzufühlen sei, ist hier    
  08 nicht die Rede.) - Ohne diesen Organsinn würden wir uns von einer    
  09 körperlichen Gestalt gar keinen Begriff machen können, auf deren Wahrnehmung    
  10 also die beiden andern Sinne der ersteren Classe ursprünglich bezogen    
  11 werden müssen, um Erfahrungserkenntniß zu verschaffen.    
         
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Vom Gehör.

   
         
  13 § 18. Der Sinn des Gehörs ist einer der Sinne von blos mittelbarer    
  14 Wahrnehmung. - Durch die Luft, die uns umgiebt, und vermittelst    
  15 derselben wird ein entfernter Gegenstand in großem Umfange erkannt,    
  16 und durch eben dieses Mittel, welches durch das Stimmorgan, den Mund,    
  17 in Bewegung gesetzt wird, können sich Menschen am leichtesten und vollständigsten    
  18 mit andern in Gemeinschaft der Gedanken und Empfindungen    
  19 bringen, vornehmlich wenn die Laute, die jeder den andern hören läßt,    
  20 articulirt sind und in ihrer gesetzlichen Verbindung durch den Verstand    
  21 eine Sprache ausmachen. - Die Gestalt des Gegenstandes wird durchs    
  22 Gehör nicht gegeben, und die Sprachlaute führen nicht unmittelbar zur    
  23 Vorstellung desselben, sind aber eben darum, und weil sie an sich nichts,    
  24 wenigstens keine Objecte, sondern allenfalls nur innere Gefühle bedeuten,    
  25 die geschicktesten Mittel der Bezeichnung der Begriffe, und Taubgeborne,    
  26 die eben darum auch stumm (ohne Sprache) bleiben müssen) können nie    
  27 zu etwas Mehrerem, als einem Analogon der Vernunft gelangen.    
         
  28 Was aber den Vitalsinn betrifft, so wird dieser durch Musik, als    
  29 ein regelmäßiges Spiel von Empfindungen des Gehörs, unbeschreiblich    
  30 lebhaft und mannigfaltig nicht blos bewegt, sondern auch gestärkt, welche    
  31 also gleichsam eine Sprache bloßer Empfindungen (ohne alle Begriffe) ist.    
  32 Die Laute sind hier Töne und dasjenige fürs Gehör, was die Farben    
  33 fürs Gesicht sind; eine Mittheilung der Gefühle in die Ferne in einem    
  34 Raume umher an alle, die sich darin befinden, und ein gesellschaftlicher    
  35 Genuß, der dadurch nicht vermindert wird, daß viele an ihm theilnehmen.    
         
         
     

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