Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 147

   
         
 

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  01 Thunliche ( facile ) und Comparativ=Unthunliche ( difficile ) bedeuten    
  02 sollen; denn das Kaum=Thunliche wird doch von einem Subject, das an    
  03 dem Grade seines dazu erforderlichen Vermögens zweifelt, in gewissen    
  04 Lagen und Verhältnissen desselben für subjectiv=unthunlich gehalten.    
         
  05 Die Leichtigkeit etwas zu thun ( promptitudo ) muß mit der Fertigkeit    
  06 in solchen Handlungen ( habitus ) nicht verwechselt werden. Die    
  07 erstere bedeutet einen gewissen Grad des mechanischen Vermögens: "ich    
  08 kann, wenn ich will," und bezeichnet subjective Möglichkeit; die zweite    
  09 die subjectiv=praktische Nothwendigkeit, d. i. Gewohnheit, mithin    
  10 einen gewissen Grad des Willens, der durch den oft wiederholten Gebrauch    
  11 seines Vermögens erworben wird: "ich will, weil es die Pflicht gebietet."    
  12 Daher kann man die Tugend nicht so erklären: sie sei die Fertigkeit    
  13 in freien rechtmäßigen Handlungen; denn da wäre sie blos Mechanism der    
  14 Kraftanwendung; sondern Tugend ist die moralische Stärke in Befolgung    
  15 seiner Pflicht, die niemals zur Gewohnheit werden, sondern immer    
  16 ganz neu und ursprünglich aus der Denkungsart hervorgehen soll.    
         
  17 Das Leichte wird dem Schweren, aber oft auch dem Lästigen entgegengesetzt.    
  18 Leicht ist einem Subject dasjenige, wozu ein großer Überschu    
  19 seines Vermögens über die zu einer That erforderliche Kraftanwendung    
  20 in ihm anzutreffen ist. Was ist leichter, als die Förmlichkeiten der    
  21 Visiten, Gratulationen und Condolenzen zu begehen? Was ist aber auch    
  22 einem beschäftigten Mann beschwerlicher? Es sind freundschaftliche Vexationen    
  23 (Plackereien), die ein jeder herzlich wünscht los zu werden, inde    
  24 er doch auch Bedenken trägt, wider den Gebrauch zu verstoßen.    
         
  25 Welche Vexationen giebt es nicht in äußeren, zur Religion gezählten,    
  26 eigentlich aber zur kirchlichen Form gezogenen Gebräuchen: wo gerade    
  27 darin, daß sie zu nichts nutzen, und in der bloßen Unterwerfung der Gläubigen,    
  28 sich durch Ceremonien und Observanzen, Büßungen und Kasteiungen    
  29 (je mehr desto besser) geduldig hudeln zu lassen, das Verdienstliche der    
  30 Frömmigkeit gesetzt wird; indessen daß diese Frohndienste zwar mechanisch    
  31 leicht (weil keine lasterhafte Neigung dabei aufgeopfert werden    
  32 darf), aber dem Vernünftigen moralisch sehr beschwerlich und lästig    
  33 fallen müssen. - Wenn daher der große moralische Volkslehrer sagte:    
  34 "Meine Gebote sind nicht schwer", so wollte er dadurch nicht sagen, sie    
  35 bedürfen nur geringen Aufwand von Kräften, um sie zu erfüllen; denn    
  36 in der That sind sie als solche, welche reine Herzensgesinnungen fordern,    
  37 das Schwerste unter allem, was geboten werden mag; aber sie sind für    
         
     

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