Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 105

   
         
 

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  01 könne: das kann in einer Diätetik als Kinderlehre (denn im Genießen    
  02 müssen auch Männer von Ärzten oft als Kinder behandelt werden) auch    
  03 zur Regel dienen: nämlich daß jedem Menschen von Anbeginn her vom    
  04 Verhängnisse seine Portion Schlaf zugemessen worden, und der, welcher    
  05 von seiner Lebenszeit in Mannsjahren zu viel (über das Dritttheil) dem    
  06 Schlafen eingeräumt hat, sich nicht eine lange Zeit zu schlafen, d.i. zu    
  07 leben und alt zu werden, versprechen darf. - Wer dem Schlaf als süßen    
  08 Genuß im Schlummern (der Siesta der Spanier) oder als Zeitkürzung    
  09 (in langen Winternächten) viel mehr als ein Dritttheil seiner Lebenszeit    
  10 einräumt, oder ihn sich auch theilweise (mit Absätzen), nicht in einem Stück    
  11 für jeden Tag zumißt, verrechnet sich sehr in Ansehung seines Lebensquantum    
  12 theils dem Grade, theils der Länge nach. - Da nun schwerlich    
  13 ein Mensch wünschen wird, daß der Schlaf überhaupt gar nicht Bedürfniß    
  14 für ihn wäre (woraus doch wohl erhellt, daß er das lange Leben als eine    
  15 lange Plage fühlt, von dem, so viel er verschlafen, eben so viel Mühseligkeit    
  16 zu tragen er sich erspart hat), so ist es gerathener fürs Gefühl sowohl    
  17 als für die Vernunft, dieses genuß= und thatleere Drittel ganz auf eine    
  18 Seite zu bringen und es der unentbehrlichen Naturrestauration zu überlassen:    
  19 doch mit einer genauen Abgemessenheit der Zeit, von wo an und    
  20 wie lange sie dauern soll.    
         
  21 Es gehört unter die krankhaften Gefühle zu der bestimmten und gewohnten    
  22 Zeit nicht schlafen, oder auch sich nicht wach halten zu können;    
  23 vornehmlich aber das erstere, in dieser Absicht sich zu Bette zu legen und    
  24 doch schlaflos zu liegen. - Sich alle Gedanken aus dem Kopf zu schlagen,    
  25 ist zwar der gewöhnliche Rath, den der Arzt giebt: aber sie oder andere    
  26 an ihre Stelle kommen wieder und erhalten wach. Es ist kein anderer    
  27 diätetischer Rath, als beim inneren Wahrnehmen oder Bewußtwerden    
  28 irgend eines sich regenden Gedanken die Aufmerksamkeit davon sofort abzuwenden    
  29 (gleich als ob man mit geschlossenen Augen diese auf eine andere    
  30 Seite kehrte): wo dann durch das Abbrechen jedes Gedanken, den man    
  31 inne wird, allmählig eine Verwirrung der Vorstellungen entspringt, dadurch    
  32 das Bewußtsein seiner körperlichen (äußeren) Lage aufgehoben wird,    
  33 und eine ganz verschiedene Ordnung, nämlich ein unwillkürliches Spiel    
  34 der Einbildungskraft (das im gesunden Zustande der Traum ist), eintritt,    
  35 in welchem durch ein bewundernswürdiges Kunststück der thierischen Organisation    
         
     

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