Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 469

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Gebrauch ihrer Wissenschaft als umgänglichen (geschliffenen), oder in      
  02 ihrem Fach unumgänglichen Gelehrten (Pedanten), pragmatischen, oder      
  03 mehr auf Geist und Geschmack ausgehenden; welches nach Verschiedenheit      
  04 der Stände, des Alters, des Geschlechts, des Gesundheitszustandes, des      
  05 der Wohlhabenheit oder Armuth u. s. w. zukomme: das giebt nicht so      
  06 vielerlei Arten der ethischen Verpflichtung (denn es ist nur eine,      
  07 nämlich die der Tugend überhaupt), sondern nur Arten der Anwendung      
  08 (Porismen) ab; die also nicht, als Abschnitte der Ethik und Glieder der      
  09 Eintheilung eines Systems (das a priori aus einem Vernunftbegriffe      
  10 hervorgehen muß), aufgeführt, sondern nur angehängt werden können.      
  11 Aber eben diese Anwendung gehört zur Vollständigkeit der Darstellung      
  12 desselben.      
           
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Beschluß der Elementarlehre.

     
           
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Von der innigsten Vereinigung der Liebe mit der Achtung

     
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in der Freundschaft.

     
           
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§ 46.
     
           
  17 Freundschaft (in ihrer Vollkommenheit betrachtet) ist die Vereinigung      
  18 zweier Personen durch gleiche wechselseitige Liebe und Achtung.      
  19 Man sieht leicht, daß sie ein Ideal der Theilnehmung und Mittheilung      
  20 an dem Wohl eines jeden dieser durch den moralisch guten Willen Vereinigten      
  21 sei, und, wenn es auch nicht das ganze Glück des Lebens bewirkt      
  22 die Aufnahme desselben in ihre beiderseitige Gesinnung die Würdigkeit      
  23 enthalte glücklich zu sein, mithin daß Freundschaft unter Menschen Pflicht      
  24 derselben ist. - Daß aber Freundschaft eine bloße (aber doch praktisch      
  25 nothwendige) Idee, in der Ausübung zwar unerreichbar, aber doch darnach      
  26 (als einem Maximum der guten Gesinnung gegen einander) zu      
  27 streben von der Vernunft aufgegebene, nicht etwa gemeine, sondern ehrenvolle      
  28 Pflicht sei, ist leicht zu ersehen. Denn wie ist es für den Menschen      
  29 in Verhältniß zu seinem Nächsten möglich, die Gleichheit eines der dazu      
  30 erforderlichen Stücke eben derselben Pflicht (z. B. des wechselseitigen      
  31 Wohlwollens) in dem Einem mit eben derselben Gesinnung im Anderen      
  32 auszumitteln, noch mehr aber, welches Verhältniß das Gefühl aus der      
  33 einen Pflicht zu dem aus der andern (z. B. das aus dem Wohlwollen zu      
  34 dem aus der Achtung) in derselben Person habe, und ob, wenn die eine      
           
     

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