Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 462 |
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05 | Mäßigung in Ansprüchen überhaupt, d. i. freiwillige Einschränkung | ||||||
06 | der Selbstliebe eines Menschen durch die Selbstliebe Anderer, heißt | ||||||
07 | Bescheidenheit; der Mangel dieser Mäßigung (Unbescheidenheit) in | ||||||
08 | Ansehung der Würdigkeit von Anderen geliebt zu werden die Eigenliebe | ||||||
09 | ( philautia ). Die Unbescheidenheit der Forderung aber, von Anderen | ||||||
10 | geachtet zu werden, ist der Eigendünkel ( arrogantia ). Achtung, | ||||||
11 | die ich für andere trage, oder die ein Anderer von mir fordern kann | ||||||
12 | ( observantia aliis praestanda ), ist also die Anerkennung einer Würde | ||||||
13 | ( dignitas ) an anderen Menschen, d. i. eines Werths, der keinen Preis hat, | ||||||
14 | kein Äquivalent, wogegen das Object der Werthschätzung ( aestimii ) ausgetauscht | ||||||
15 | werden könnte. - Die Beurtheilung eines Dinges als eines | ||||||
16 | solchen, das keinen Werth hat, ist die Verachtung. | ||||||
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18 | Ein jeder Mensch hat rechtmäßigen Anspruch auf Achtung von seinen | ||||||
19 | Nebenmenschen, und wechselseitig ist er dazu auch gegen jeden Anderen | ||||||
20 | verbunden. | ||||||
21 | Die Menschheit selbst ist eine Würde; denn der Mensch kann von | ||||||
22 | keinem Menschen (weder von Anderen noch sogar von sich selbst) blos als | ||||||
23 | Mittel, sondern muß jederzeit zugleich als Zweck gebraucht werden, und | ||||||
24 | darin besteht eben seine Würde (die Persönlichkeit), dadurch er sich über | ||||||
25 | alle andere Weltwesen, die nicht Menschen sind und doch gebraucht werden | ||||||
26 | können, mithin über alle Sachen erhebt. Gleichwie er also sich selbst für | ||||||
27 | keinen Preis weggeben kann (welches der Pflicht der Selbstschätzung widerstreiten | ||||||
28 | würde), so kann er auch nicht der eben so nothwendigen Selbstschätzung | ||||||
29 | Anderer als Menschen entgegen handeln, d. i. er ist verbunden, | ||||||
30 | die Würde der Menschheit an jedem anderen Menschen praktisch anzuerkennen, | ||||||
31 | mithin ruht auf ihm eine Pflicht, die sich auf die jedem anderen | ||||||
32 | Menschen nothwendig zu erzeigende Achtung bezieht. | ||||||
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