Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 375

     
           
 

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Vorrede.

[ I. Kant: Vorarbeiten zur Vorrede und Einleitung in die Tugendlehre (AA XXIII, 373) ]    
         
  02 Wenn es über irgend einen Gegenstand eine Philosophie (System      
  03 der Vernunfterkenntniß aus Begriffen) giebt, so muß es für diese Philosophie      
  04 auch ein System reiner, von aller Anschauungsbedingung unabhängiger      
  05 Vernunftbegriffe, d. i. eine Metaphysik, geben. - Es frägt      
  06 sich nur: ob es für jede praktische Philosophie als Pflichtenlehre, mithin      
  07 auch für die Tugendlehre (Ethik) auch metaphysischer Anfangsgründe      
  08 bedürfe, um sie als wahre Wissenschaft (systematisch), nicht blos      
  09 als Aggregat einzeln aufgesuchter Lehren (fragmentarisch) aufstellen zu      
  10 können. - Von der reinen Rechtslehre wird niemand dies Bedürfniß bezweifeln;      
  11 denn sie betrifft nur das Förmliche der nach Freiheitsgesetzen      
  12 im äußeren Verhältniß einzuschränkenden Willkür; abgesehen von allem      
  13 Zweck (als der Materie derselben). Die Pflichtenlehre ist also hier eine      
  14 bloße Wissenslehre ( doctrina scientiae ).* )      
           
  15 In dieser Philosophie (der Tugendlehre) scheint es nun der Idee derselben      
  16 gerade zuwider zu sein, bis zu metaphysischen Anfangsgründen      
           
    *) Ein der praktischen Philosophie Kundiger ist darum eben nicht ein praktischer Philosoph. Der letztere ist derjenige, welcher sich den Vernunftendzweck zum Grundsatz seiner Handlungen macht, indem er damit zugleich das dazu nöthige Wissen verbindet: welches, da es aufs Thun abgezweckt ist, nicht eben bis zu den subtilsten Fäden der Metaphysik ausgesponnen werden darf, wenn es nicht etwan eine Rechtspflicht betrifft - als bei welcher auf der Wage der Gerechtigkeit das Mein und Dein nach dem Princip der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung genau bestimmt werden und darum der mathematischen Abgemessenheit analog sein muß; - sondern eine bloße Tugendpflicht angeht. Denn da kommt es nicht blos darauf an, zu wissen, was zu thun Pflicht ist (welches wegen der Zwecke, die natürlicherweise alle Menschen haben, leicht angegeben werden kann): sondern vornehmlich auf dem inneren Princip des Willens, nämlich daß das Bewußtsein dieser Pflicht zugleich Triebfeder der Handlungen sei, um von dem, der mit seinem Wissen dieses Weisheitsprincip verknüpft, zu sagen: daß er ein praktischer Philosoph sei.      
           
     

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