Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 313 |
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01 | die Gesetze über das Mein und Dein im Naturzustande ebendasselbe, | ||||||
02 | was die im bürgerlichen vorschreiben, so fern dieser bloß nach reinen | ||||||
03 | Vernunftbegriffen gedacht wird: nur daß im letzteren die Bedingungen | ||||||
04 | angegeben werden, unter denen jene zur Ausübung (der distributiven | ||||||
05 | Gerechtigkeit gemäß) gelangen. - Es würde also, wenn es | ||||||
06 | im Naturzustande auch nicht provisorisch ein äußeres Mein und | ||||||
07 | Dein gäbe, auch keine Rechtspflichten in Ansehung desselben, mithin | ||||||
08 | auch kein Gebot geben, aus jenem Zustande herauszugehen. | ||||||
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10 | Ein Staat ( civitas ) ist die Vereinigung einer Menge von Menschen | ||||||
11 | unter Rechtsgesetzen. So fern diese als Gesetze a priori nothwendig, d. i. | ||||||
12 | aus Begriffen des äußeren Rechts überhaupt von selbst folgend, (nicht | ||||||
13 | statutarisch) sind, ist seine Form die Form eines Staats überhaupt, d. i. | ||||||
14 | der Staat in der Idee, wie er nach reinen Rechtsprincipien sein soll, | ||||||
15 | welche jeder wirklichen Vereinigung zu einem gemeinen Wesen (also im | ||||||
16 | Inneren) zur Richtschnur ( norma ) dient. | ||||||
17 | Ein jeder Staat enthält drei Gewalten in sich, d. i. den allgemein | ||||||
18 | vereinigten Willen in dreifacher Person ( trias politica ): die Herrschergewalt | ||||||
19 | (Souveränität) in der des Gesetzgebers, die vollziehende Gewalt | ||||||
20 | in der des Regierers (zu Folge dem Gesetz) und die rechtsprechende | ||||||
21 | Gewalt (als Zuerkennung des Seinen eines jeden nach dem | ||||||
22 | Gesetz) in der Person des Richters ( potestas legislatoria, rectoria et iudiciaria ) | ||||||
23 | gleich den drei Sätzen in einem praktischen Vernunftschluß: dem | ||||||
24 | Obersatz, der das Gesetz jenes Willens, dem Untersatz, der das Gebot | ||||||
25 | des Verfahrens nach dem Gesetz, d. i. das Princip der Subsumtion unter | ||||||
26 | denselben, und dem Schlußsatz, der den Rechtsspruch (die Sentenz) enthält, | ||||||
27 | was im vorkommenden Falle Rechtens ist. | ||||||
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29 | Die gesetzgebende Gewalt kann nur dem vereinigten Willen des Volkes | ||||||
30 | zukommen. Denn da von ihr alles Recht ausgehen soll, so muß sie | ||||||
31 | durch ihr Gesetz schlechterdings niemand unrecht thun können. Nun ist | ||||||
32 | es, wenn jemand etwas gegen einen Anderen verfügt, immer möglich, | ||||||
33 | daß er ihm dadurch unrecht thue, nie aber in dem, was er über sich selbst | ||||||
34 | beschließt (denn volenti non fit iniuria ). Also kann nur der übereinstimmende | ||||||
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