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Kant: AA VI, Die Religion innerhalb der ... , Seite 088 |
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möchten, Verzicht thun muß. Eben so ist die moralische Besserung des |
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Menschen ein ihm obliegendes Geschäfte, und nun mögen noch immer |
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himmlische Einflüsse dazu mitwirken, oder zur Erklärung der Möglichkeit |
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derselben für nöthig gehalten werden; er versteht sich nicht darauf, weder sie |
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sicher von den natürlichen zu unterscheiden, noch sie und so gleichsam den |
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Himmel zu sich herabzuziehen; da er also mit ihnen unmittelbar nichts |
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anzufangen weiß, so statuirt †) er in diesem Falle keine Wunder, sondern |
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wenn er der Vorschrift der Vernunft Gehör giebt, so verfährt er so, als |
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ob alle Sinnesänderung und Besserung lediglich von seiner eignen angewandten |
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Bearbeitung abhinge. Aber daß man durch die Gabe recht fest |
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an Wunder theoretisch zu glauben sie auch wohl gar selbst bewirken und |
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so den Himmel bestürmen könne, geht zu weit aus den Schranken der |
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Vernunft hinaus, um sich bei einem solchen sinnlosen Einfalle lange zu |
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verweilen.*) |
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†) heißt so viel als: er nimmt den Wunderglauben nicht in seine Maximen (weder der theoretischen noch praktischen Vernunft) auf, ohne doch ihre Möglichkeit oder Wirklichkeit anzufechten. |
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*) Es ist eine gewöhnliche Ausflucht derjenigen, welche den leichtgläubigen magische Künste vorgaukeln, oder sie solche wenigstens im Allgemeinen wollen glaubend machen, daß sie sich auf das Geständniß der Naturforscher von ihrer Unwissenheit berufen. Kennen wir doch nicht, sagen sie, die Ursache der Schwere, der magnetischen Kraft u. d. gl.. - Aber die Gesetze derselben erkennen wir doch mit hinreichender Ausführlichkeit unter bestimmten Einschränkungen auf die Bedingungen, unter denen allein gewisse Wirkungen geschehen; und das ist genug sowohl für einen sichern Vernunftgebrauch dieser Kräfte, als auch zur Erklärung ihrer Erscheinungen, secundum quid , abwärts zum Gebrauch dieser Gesetze, um Erfahrungen darunter zu ordnen, wenn gleich nicht simpliciter und aufwärts, um selbst die Ursachen der nach diesen Gesetzen wirkenden Kräfte einzusehen. - Dadurch wird auch das innere Phänomen des menschlichen Verstandes begreiflich: warum sogenannte d. i. genugsam beglaubigte, obwohl widersinnische Erscheinungen, oder sich hervorthuende unerwartete und von den bis dahin bekannten Naturgesetzen abweichende Beschaffenheiten der Dinge, mit Begierde aufgefaßt werden und das Gemüth ermuntern, so lange als sie dennoch für natürlich gehalten werden, da es hingegen durch die Ankündigung eines wahren Wunders niedergeschlagen wird. Denn die erstere eröffnen eine Aussicht in einen neuen Erwerb von Nahrung für die Vernunft; sie machen nämlich Hoffnung, neue Naturgesetze zu entdecken; das zweite dagegen erregt Besorgniß, auch das Zutrauen zu den schon für bekannt angenommenen zu verlieren. Wenn aber die Vernunft um die Erfahrungsgesetze gebracht wird, so ist sie in einer solchen bezauberten Welt weiter zu gar nichts Nutze, selbst nicht für den moralischen Gebrauch in derselben zu Befolgung seiner Pflicht; denn |
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man weiß nicht mehr, ob nicht selbst mit den sittlichen Triebfedern uns unwissend durch Wunder Veränderungen vorgehen, an denen niemand unterscheiden kann, ob er sie sich selbst oder einer andern, unerforschlichen Ursache zuschreiben solle. - Die, deren Urtheilskraft hierin so gestimmt ist, daß sie sich ohne Wunder nicht behelfen zu können meinen, glauben den Anstoß, den die Vernunft daran nimmt, dadurch zu mildern, daß sie annehmen, sie geschehen nur selten. Wollen sie damit sagen, daß dies schon im Begriff eines Wunders liegt (weil, wenn eine solche Begebenheit gewöhnlich geschähe, sie für kein Wunder erklärt werden würde): so kann man ihnen diese Sophisterei (eine objective Frage von dem, was die Sache ist, in eine subjective, was das Wort, durch welches wir sie anzeigen, bedeute, umzuändern) allenfalls schenken und wieder fragen: wie selten? in hundert Jahren etwa einmal, oder zwar vor Alters, jetzt aber gar nicht mehr? Hier ist nichts für uns aus der Kenntniß des Objects bestimmbares (denn das ist unserm eignen Geständnisse nach für uns überschwenglich), sondern nur aus den nothwendigen Maximen des Gebrauchs unserer Vernunft: entweder sie als täglich (obzwar unter dem Anscheine natürlicher Vorfälle versteckt), oder niemals zuzulassen und im letztern Falle sie weder unsern Vernunfterklärungen noch den Maßregeln unserer Handlungen zum Grunde zu legen; und da das erstere sich mit der Vernunft gar nicht verträgt, so bleibt nichts übrig, als die letztere Maxime anzunehmen; denn nur Maxime der Beurtheilung, nicht theoretische Behauptung bleibt dieser Grundsatz immer. Niemand kann die Einbildung von seiner Einsicht so hoch treiben, entscheidend aussprechen zu wollen: daß z. B. die höchst bewunderungswürdige Erhaltung der Species im Pflanzen= und Thierreiche, da jede neue Zeugung ihr Original mit aller innern Vollkommenheit des Mechanismus und (wie im Pflanzenreiche) selbst aller sonst so zärtlichen Farbenschönheit in jedem Frühjahre unvermindert wiederum darstellt, ohne daß die sonst so zerstörenden Kräfte der unorganischen Natur in böser Herbst= und Winter=Witterung jener ihrem Samen in diesem Punkte etwas anhaben können, daß, sage ich, dieses eine bloße Folge nach Naturgesetzen sei, und ob nicht vielmehr jedesmal ein unmittelbarer Einfluß des Schöpfers dazu erfordert werde, einsehen zu wollen. - Aber es sind Erfahrungen; für uns sind sie also nichts anders als Naturwirkungen und sollen auch nie anders beurtheilt werden; denn das will die Bescheidenheit der Vernunft in ihren Ansprüchen; über diese Grenzen aber hinaus zu gehen, ist Vermessenheit und Unbescheidenheit in Ansprüchen; wiewohl man mehrentheils in der Behauptung der Wunder eine demüthige, sich selbst entäußernde Denkungsart zu beweisen vorgiebt. |
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