Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 435 |
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Text (Kant):
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| 01 | objectiven Grunde gefragt werden, der diesen productiven Verstand zu | ||||||
| 02 | einer Wirkung dieser Art bestimmt haben könne, welcher dann der Endzweck | ||||||
| 03 | ist, wozu dergleichen Dinge da sind. | ||||||
| 04 | Ich habe oben gesagt: daß der Endzweck kein Zweck sei, welchen zu | ||||||
| 05 | bewirken und der Idee desselben gemäß hervorzubringen, die Natur hinreichend | ||||||
| 06 | wäre, weil er unbedingt ist. Denn es ist nichts in der Natur (als | ||||||
| 07 | einem Sinnenwesen), wozu der in ihr selbst befindliche Bestimmungsgrund | ||||||
| 08 | nicht immer wiederum bedingt wäre; und dieses gilt nicht bloß von der | ||||||
| 09 | Natur außer uns (der materiellen), sondern auch in uns (der denkenden): | ||||||
| 10 | wohl zu verstehen, daß ich in mir nur das betrachte, was Natur ist. Ein | ||||||
| 11 | Ding aber, was nothwendig seiner objectiven Beschaffenheit wegen als | ||||||
| 12 | Endzweck einer verständigen Ursache existiren soll, muß von der Art sein, | ||||||
| 13 | daß es in der Ordnung der Zwecke von keiner anderweitigen Bedingung, | ||||||
| 14 | als bloß seiner Idee abhängig ist. | ||||||
| 15 | Nun haben wir nur eine einzige Art Wesen in der Welt, deren Causalität | ||||||
| 16 | teleologisch, d. i. auf Zwecke gerichtet, und doch zugleich so beschaffen | ||||||
| 17 | ist, daß das Gesetz, nach welchem sie sich Zwecke zu bestimmen haben, von | ||||||
| 18 | ihnen selbst als unbedingt und von Naturbedingungen unabhängig, an | ||||||
| 19 | sich aber als nothwendig vorgestellt wird. Das Wesen dieser Art ist der | ||||||
| 20 | Mensch, aber als Noumenon betrachtet; das einzige Naturwesen, an welchem | ||||||
| 21 | wir doch ein übersinnliches Vermögen (die Freiheit) und sogar | ||||||
| 22 | das Gesetz der Causalität sammt dem Objecte derselben, welches es sich | ||||||
| 23 | als höchsten Zweck vorsetzen kann (das höchste Gut in der Welt), von | ||||||
| 24 | Seiten seiner eigenen Beschaffenheit erkennen können. | ||||||
| 25 | Von dem Menschen nun (und so jedem vernünftigen Wesen in der | ||||||
| 26 | Welt), als einem moralischen Wesen, kann nicht weiter gefragt werden: | ||||||
| 27 | wozu ( quem in finem ) er existire. Sein Dasein hat den höchsten Zweck | ||||||
| 28 | selbst in sich, dem, so viel er vermag, er die ganze Natur unterwerfen kann, | ||||||
| 29 | wenigstens welchem zuwider er sich keinem Einflusse der Natur unterworfen | ||||||
| 30 | halten darf. - Wenn nun Dinge der Welt, als ihrer Existenz nach | ||||||
| 31 | abhängige Wesen, einer nach Zwecken handelnden obersten Ursache bedürfen, | ||||||
| 32 | so ist der Mensch der Schöpfung Endzweck; denn ohne diesen wäre | ||||||
| 33 | die Kette der einander untergeordneten Zwecke nicht vollständig gegründet; | ||||||
| 34 | und nur im Menschen, aber auch in diesem nur als Subjecte der Moralität | ||||||
| 35 | ist die unbedingte Gesetzgebung in Ansehung der Zwecke anzutreffen, welche | ||||||
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