Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 434

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 aufbieten, steigern und stählen, um jenen nicht zu unterliegen, und uns      
  02 so eine Tauglichkeit zu höheren Zwecken, die in uns verborgen liegt, fühlen      
  03 lassen.*)      
           
  04

§ 84.

     
  05

Von dem Endzwecke des Daseins einer Welt, d. i. der

     
  06

Schöpfung selbst.

     
           
  07 Endzweck ist derjenige Zweck, der keines andern als Bedingung      
  08 seiner Möglichkeit bedarf.      
           
  09 Wenn für die Zweckmäßigkeit der Natur der bloße Mechanism derselben      
  10 zum Erklärungsgrunde angenommen wird, so kann man nicht      
  11 fragen: wozu die Dinge in der Welt da sind; denn es ist alsdann nach      
  12 einem solchen idealistischen System nur von der physischen Möglichkeit      
  13 der Dinge (welche uns als Zwecke zu denken bloße Vernünftelei ohne      
  14 Object sein würde) die Rede: man mag nun diese Form der Dinge auf      
  15 den Zufall, oder blinde Nothwendigkeit deuten, in beiden Fällen wäre      
  16 jene Frage leer. Nehmen wir aber die Zweckverbindung in der Welt für      
  17 real und für sie eine besondere Art der Causalität, nämlich einer absichtlich      
  18 wirkenden Ursache, an, so können wir bei der Frage nicht stehen      
  19 bleiben: wozu Dinge der Welt (organisirte Wesen) diese oder jene Form      
  20 haben, in diese oder jene Verhältnisse gegen andere von der Natur gesetzt      
  21 sind; sondern da einmal ein Verstand gedacht wird, der als die Ursache      
  22 der Möglichkeit solcher Formen angesehen werden muß, wie sie wirklich      
  23 an Dingen gefunden werden, so muß auch in eben demselben nach dem      
           
    *)Was das Leben für uns für einen Werth habe, wenn dieser bloß nach dem geschätzt wird, was man genießt (dem natürlichen Zweck der Summe aller Neigungen, der Glückseligkeit), ist leicht zu entscheiden. Er sinkt unter Null; denn wer wollte wohl das Leben unter denselben Bedingungen, oder auch nach einem neuen, selbstentworfenen (doch dem Naturlaufe gemäßen) Plane, der aber auch bloß auf Genu gestellt wäre, aufs neue antreten? Welchen Werth das Leben dem zufolge habe, was es, nach dem Zwecke, den die Natur mit uns hat, geführt, in sich enthält und welches in dem besteht, was man thut (nicht bloß genießt), wo wir aber immer doch nur Mittel zu unbestimmtem Endzwecke sind, ist oben gezeigt worden. Es bleibt also wohl nichts übrig, als der Werth, den wir unserem Leben selbst geben durch das, was wir nicht allein thun, sondern auch so unabhängig von der Natur zweckmäßig thun, daß selbst die Existenz der Natur nur unter dieser Bedingung Zweck sein kann.      
           
     

[ Seite 433 ] [ Seite 435 ] [ Inhaltsverzeichnis ]