Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 365

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 eben diese Harmonie, weil sie aller dieser Zweckmäßigkeit ungeachtet dennoch      
  02 nicht empirisch, sondern a priori erkannt wird, von selbst darauf      
  03 bringen, daß der Raum, durch dessen Bestimmung (vermittelst der Einbildungskraft      
  04 gemäß einem Begriffe) das Object allein möglich war,      
  05 nicht eine Beschaffenheit der Dinge außer mir, sondern eine bloße Vorstellungsart      
  06 in mir sei, und ich also in die Figur, die ich einem Begriffe      
  07 angemessen zeichne, d. i. in meine eigene Vorstellungsart von dem, was      
  08 mir äußerlich, es sei an sich, was es wolle, gegeben wird, die Zweckmäßigkeit      
  09 hineinbringe, nicht von diesem über dieselbe empirisch belehrt      
  10 werde, folglich zu jener keinen besondern Zweck außer mir am Objecte      
  11 bedürfe. Weil aber diese Überlegung schon einen kritischen Gebrauch der      
  12 Vernunft erfordert, mithin in der Beurtheilung des Gegenstandes nach      
  13 seinen Eigenschaften nicht sofort mit enthalten sein kann: so giebt mir die      
  14 letztere unmittelbar nichts als Vereinigung heterogener Regeln (sogar      
  15 nach dem, was sie Ungleichartiges an sich haben) in einem Princip an      
  16 die Hand, welches, ohne einen außer meinem Begriffe und überhaupt      
  17 meiner Vorstellung a priori liegenden besondern Grund dazu zu fordern,      
  18 dennoch von mir a priori als wahrhaft erkannt wird. Nun ist die Verwunderung      
  19 ein Anstoß des Gemüths an der Unvereinbarkeit einer Vorstellung      
  20 und der durch sie gegebenen Regel mit den schon in ihm zum      
  21 Grunde liegenden Principien, welcher also einen Zweifel, ob man auch      
  22 Recht gesehen oder geurtheilt habe, hervorbringt; Bewunderung aber      
  23 eine immer wiederkommende Verwunderung ungeachtet der Verschwindung      
  24 dieses Zweifels. Folglich ist die letzte eine ganz natürliche Wirkung jener      
  25 beobachteten Zweckmäßigkeit in dem Wesen der Dinge (als Erscheinungen),      
  26 die auch sofern nicht getadelt werden kann, indem die Vereinbarung      
  27 jener Form der sinnlichen Anschauung (welche der Raum heißt) mit dem      
  28 Vermögen der Begriffe (dem Verstande) nicht allein deswegen, daß sie      
  29 gerade diese und keine andere ist, uns unerklärlich, sondern überdem noch      
  30 für das Gemüth erweiternd ist, noch etwas über jene sinnliche Vorstellungen      
  31 Hinausliegendes gleichsam zu ahnen, worin, obzwar uns unbekannt,      
  32 der letzte Grund jener Einstimmung angetroffen werden mag.      
  33 Diesen zu kennen, haben wir zwar auch nicht nöthig, wenn es bloß um      
  34 formale Zweckmäßigkeit unserer Vorstellungen a priori zu thun ist; aber      
  35 auch nur da hinaussehen zu müssen, flößt für den Gegenstand, der uns      
  36 dazu nöthigt, zugleich Bewunderung ein.      
           
  37 Man ist gewohnt, die erwähnten Eigenschaften sowohl der geometrischen      
           
     

[ Seite 364 ] [ Seite 366 ] [ Inhaltsverzeichnis ]