Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 303

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 indem wir die Denkungsart derer für grob und unedel halten, die      
  02 kein Gefühl für die schöne Natur haben (denn so nennen wir die Empfänglichkeit      
  03 eines Interesse an ihrer Betrachtung) und sich bei der Mahlzeit      
  04 oder der Bouteille am Genusse bloßer Sinnesempfindungen halten.      
           
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§ 43.

     
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Von der Kunst überhaupt.

     
           
  07 1) Kunst wird von der Natur, wie Thun ( facere ) vom Handeln      
  08 oder Wirken überhaupt ( agere ) und das Product, oder die Folge der erstern,      
  09 als Werk ( opus ) von der letztern als Wirkung ( effectus ) unterschieden.      
           
  11 Von Rechtswegen sollte man nur die Hervorbringung durch Freiheit,      
  12 d. i. durch eine Willkür, die ihren Handlungen Vernunft zum Grunde      
  13 legt, Kunst nennen. Denn ob man gleich das Product der Bienen (die      
  14 regelmäßig gebaueten Wachsscheiben) ein Kunstwerk zu nennen beliebt, so      
  15 geschieht dieses doch nur wegen der Analogie mit der letzteren; sobald man      
  16 sich nämlich besinnt, daß sie ihre Arbeit auf keine eigene Vernunftüberlegung      
  17 gründen, so sagt man alsbald, es ist ein Product ihrer Natur      
  18 (des Instincts), und als Kunst wird es nur ihrem Schöpfer zugeschrieben.      
           
  19 Wenn man bei Durchsuchung eines Moorbruches, wie es bisweilen      
  20 geschehen ist, ein Stück behauenes Holz antrifft, so sagt man nicht, es ist      
  21 ein Product der Natur, sondern der Kunst; die hervorbringende Ursache      
  22 desselben hat sich einen Zweck gedacht, dem dieses seine Form zu danken      
  23 hat. Sonst sieht man wohl auch an allem eine Kunst, was so beschaffen      
  24 ist, daß eine Vorstellung desselben in seiner Ursache vor seiner Wirklichkeit      
  25 vorhergegangen sein muß (wie selbst bei Bienen), ohne daß doch die Wirkung      
  26 von ihr eben gedacht sein dürfe; wenn man aber etwas schlechthin      
  27 ein Kunstwerk nennt, um es von einer Naturwirkung zu unterscheiden, so      
  28 versteht man allemal darunter ein Werk der Menschen.      
           
  29 2) Kunst als Geschicklichkeit des Menschen wird auch von der      
  30 Wissenschaft unterschieden (Können vom Wissen), als praktisches      
  31 vom theoretischen Vermögen, als Technik von der Theorie (wie die Feldmeßkunst      
  32 von der Geometrie). Und da wird auch das, was man kann,      
  33 sobald man nur weiß, was gethan werden soll, und also nur die begehrte      
  34 Wirkung genugsam kennt, nicht eben Kunst genannt. Nur das, was man,      
  35 wenn man es auch auf das vollständigste kennt, dennoch darum zu machen      
           
     

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