Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 191

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 reflectirte Wahrnehmung als mit dieser verknüpft erkannt werden muß,      
  02 folglich wie alle empirische Urtheile keine objective Nothwendigkeit ankündigen      
  03 und auf Gültigkeit a priori Anspruch machen kann. Aber das      
  04 Geschmacksurtheil macht auch nur Anspruch, wie jedes andere empirische      
  05 Urtheil, für jedermann zu gelten, welches ungeachtet der inneren Zufälligkeit      
  06 desselben immer möglich ist. Das Befremdende und Abweichende      
  07 liegt nur darin: daß es nicht ein empirischer Begriff, sondern      
  08 ein Gefühl der Lust (folglich gar kein Begriff) ist, welches doch durch das      
  09 Geschmacksurtheil, gleich als ob es ein mit dem Erkenntnisse des Objects      
  10 verbundenes Prädicat wäre, jedermann zugemuthet und mit der Vorstellung      
  11 desselben verknüpft werden soll.      
           
  12 Ein einzelnes Erfahrungsurtheil, z. B. von dem, der in einem      
  13 Bergkrystall einen beweglichen Tropfen Wasser wahrnimmt, verlangt mit      
  14 Recht, daß ein jeder andere es eben so finden müsse, weil er dieses Urtheil      
  15 nach den allgemeinen Bedingungen der bestimmenden Urtheilskraft      
  16 unter den Gesetzen einer möglichen Erfahrung überhaupt gefällt hat.      
  17 Eben so macht derjenige, welcher in der bloßen Reflexion über die Form      
  18 eines Gegenstandes ohne Rücksicht auf einen Begriff Lust empfindet, obzwar      
  19 dieses Urtheil empirisch und ein einzelnes Urtheil ist, mit Recht      
  20 Anspruch auf Jedermanns Beistimmung: weil der Grund zu dieser Lust      
  21 in der allgemeinen, obzwar subjectiven Bedingung der reflectirenden Urtheile,      
  22 nämlich der zweckmäßigen Übereinstimmung eines Gegenstandes      
  23 (er sei Product der Natur oder der Kunst) mit dem Verhältniß der Erkenntnißvermögen      
  24 unter sich, die zu jedem empirischen Erkenntniß erfordert      
  25 werden (der Einbildungskraft und des Verstandes), angetroffen      
  26 wird. Die Lust ist also im Geschmacksurtheile zwar von einer empirischen      
  27 Vorstellung abhängig und kann a priori mit keinem Begriffe verbunden      
  28 werden (man kann a priori nicht bestimmen, welcher Gegenstand dem      
  29 Geschmacke gemäß sein werde, oder nicht, man muß ihn versuchen); aber      
  30 sie ist doch der Bestimmungsgrund dieses Urtheils nur dadurch, daß man      
  31 sich bewußt ist, sie beruhe bloß auf der Reflexion und den allgemeinen,      
  32 obwohl nur subjectiven, Bedingungen der Übereinstimmung derselben      
  33 zum Erkenntniß der Objecte überhaupt, für welche die Form des Objects      
  34 zweckmäßig ist.      
           
  35 Das ist die Ursache, warum die Urtheile des Geschmacks ihrer Möglichkeit      
  36 nach, weil diese ein Princip a priori voraussetzt, auch einer Kritik      
  37 unterworfen sind, obgleich dieses Princip weder ein Erkenntnißprincip      
           
     

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