Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 449

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 sahen nur, daß wir sie voraussetzen müssen, wenn wir uns ein Wesen als      
  02 vernünftig und mit Bewußtsein seiner Causalität in Ansehung der Handlungen,      
  03 d. i. mit einem Willen, begabt uns denken wollen, und so finden      
  04 wir, daß wir aus eben demselben Grunde jedem mit Vernunft und Willen      
  05 begabten Wesen diese Eigenschaft, sich unter der Idee seiner Freiheit zum      
  06 Handeln zu bestimmen, beilegen müssen.      
           
  07 Es floß aber aus der Voraussetzung dieser Ideen auch das Bewußtsein      
  08 eines Gesetzes zu handeln: daß die subjectiven Grundsätze der Handlungen      
  09 d. i. Maximen, jederzeit so genommen werden müssen, daß sie auch      
  10 objectiv, d. i. allgemein als Grundsätze, gelten, mithin zu unserer eigenen      
  11 allgemeinen Gesetzgebung dienen können. Warum aber soll ich mich denn      
  12 diesem Princip unterwerfen und zwar als vernünftiges Wesen überhaupt,      
  13 mithin auch dadurch alle andere mit Vernunft begabte Wesen? Ich will      
  14 einräumen, daß mich hiezu kein Interesse treibt, denn das würde keinen      
  15 kategorischen Imperativ geben; aber ich muß doch hieran nothwendig ein      
  16 Interesse nehmen und einsehen, wie das zugeht; denn dieses Sollen ist      
  17 eigentlich ein Wollen, das unter der Bedingung für jedes vernünftige      
  18 Wesen gilt, wenn die Vernunft bei ihm ohne Hindernisse praktisch wäre;      
  19 für Wesen, die wie wir noch durch Sinnlichkeit als Triebfedern anderer      
  20 Art afficirt werden, bei denen es nicht immer geschieht, was die Vernunft      
  21 für sich allein thun würde, heißt jene Nothwendigkeit der Handlung nur      
  22 ein Sollen, und die subjective Nothwendigkeit wird von der objectiven unterschieden.      
           
  24 Es scheint also, als setzten wir in der Idee der Freiheit eigentlich das      
  25 moralische Gesetz, nämlich das Princip der Autonomie des Willens selbst,      
  26 nur voraus und könnten seine Realität und objective Nothwendigkeit nicht      
  27 für sich beweisen, und da hätten wir zwar noch immer etwas ganz Beträchtliches      
  28 dadurch gewonnen, daß wir wenigstens das ächte Princip genauer,      
  29 als wohl sonst geschehen, bestimmt hätten, in Ansehung seiner Gültigkeit      
  30 aber und der praktischen Nothwendigkeit, sich ihm zu unterwerfen, wären      
  31 wir um nichts weiter gekommen; denn wir könnten dem, der uns fragte,      
  32 warum denn die Allgemeingültigkeit unserer Maxime, als eines Gesetzes,      
  33 die einschränkende Bedingung unserer Handlungen sein müsse, und worauf      
  34 wir den Werth gründen, den wir dieser Art zu handeln beilegen, der so      
  35 groß sein soll, daß es überall kein höheres Interesse geben kann, und wie      
  36 es zugehe, daß der Mensch dadurch allein seinen persönlichen Werth zu      
           
     

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