| Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 388 | |||||||
| Zeile: 
 | Text (Kant): 
 | 
 
 | 
 
 | ||||
| 01 | geschieht, die zweiten als solche, nach denen alles Geschehen soll, aber doch | ||||||
| 02 | auch mit Erwägung der Bedingungen, unter denen es öfters nicht geschieht. | ||||||
| 04 | Man kann alle Philosophie, so fern sie sich auf Gründe der Erfahrung | ||||||
| 05 | fußt, empirische, die aber, so lediglich aus Principien a priori ihre | ||||||
| 06 | Lehren vorträgt, reine Philosophie nennen. Die letztere, wenn sie bloß | ||||||
| 07 | formal ist, heißt Logik; ist sie aber auf bestimmte Gegenstände des Verstandes | ||||||
| 08 | eingeschränkt, so heißt sie Metaphysik. | ||||||
| 09 | Auf solche Weise entspringt die Idee einer zwiefachen Metaphysik, | ||||||
| 10 | einer Metaphysik der Natur und einer Metaphysik der Sitten. | ||||||
| 11 | Die Physik wird also ihren empirischen, aber auch einen rationalen Theil | ||||||
| 12 | haben; die Ethik gleichfalls, wiewohl hier der empirische Theil besonders | ||||||
| 13 | praktische Anthropologie, der rationale aber eigentlich Moral heißen | ||||||
| 14 | könnte. | ||||||
| 15 | Alle Gewerbe, Handwerke und Künste haben durch die Vertheilung | ||||||
| 16 | der Arbeiten gewonnen, da nämlich nicht einer alles macht, sondern jeder | ||||||
| 17 | sich auf gewisse Arbeit, die sich ihrer Behandlungsweise nach von andern | ||||||
| 18 | merklich unterscheidet, einschränkt, um sie in der größten Vollkommenheit | ||||||
| 19 | und mit mehrerer Leichtigkeit leisten zu können. Wo die Arbeiten so nicht | ||||||
| 20 | unterschieden und vertheilt werden, wo jeder ein Tausendkünstler ist, da | ||||||
| 21 | liegen die Gewerbe noch in der größten Barbarei. Aber ob dieses zwar | ||||||
| 22 | für sich ein der Erwägung nicht unwürdiges Object wäre, zu fragen: ob | ||||||
| 23 | die reine Philosophie in allen ihren Theilen nicht ihren besondern Mann | ||||||
| 24 | erheische, um es um das Ganze des gelehrten Gewerbes nicht besser stehen | ||||||
| 25 | würde, wenn die, so das Empirische mit dem Rationalen dem Geschmacke | ||||||
| 26 | des Publicums gemäß nach allerlei ihnen selbst unbekannten Verhältnissen | ||||||
| 27 | gemischt zu verkaufen gewohnt sind, die sich Selbstdenker, andere aber, die | ||||||
| 28 | den bloß rationalen Theil zubereiten, Grübler nennen, gewarnt würden, | ||||||
| 29 | nicht zwei Geschäfte zugleich zu treiben, die in der Art, sie zu behandeln, | ||||||
| 30 | gar sehr verschieden sind, zu deren jedem vielleicht ein besonderes Talent | ||||||
| 31 | erfordert wird, und deren Verbindung in einer Person nur Stümper hervorbringt: | ||||||
| 32 | so frage ich hier doch nur, ob nicht die Natur der Wissenschaft | ||||||
| 33 | es erfordere, den empirischen von dem rationalen Theil jederzeit sorgfältig | ||||||
| 34 | abzusondern und vor der eigentlichen (empirischen) Physik eine Metaphysik | ||||||
| 35 | der Natur, vor der praktischen Anthropologie aber eine Metaphysik der | ||||||
| 36 | Sitten voranzuschicken, die von allem Empirischen sorgfältig gesäubert | ||||||
| 37 | sein müßten, um zu wissen, wie viel reine Vernunft in beiden Fällen leisten | ||||||
| [ Seite 387 ] [ Seite 389 ] [ Inhaltsverzeichnis ] | |||||||