Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 346 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | zweite, und die Handlung geschieht nicht nach Principien der Vernunft, | ||||||
| 02 | so ist sie den empirischen Gesetzen der Sinnlichkeit unterworfen, und in | ||||||
| 03 | beiden Fällen hängen die Wirkungen nach beständigen Gesetzen zusammen; | ||||||
| 04 | mehr verlangen wir aber nicht zur Naturnothwendigkeit, ja mehr kennen | ||||||
| 05 | wir an ihr auch nicht. Aber im ersten Falle ist Vernunft die Ursache | ||||||
| 06 | dieser Naturgesetze und ist also frei, im zweiten Falle laufen die Wirkungen | ||||||
| 07 | nach bloßen Naturgesetzen der Sinnlichkeit, darum weil die Vernunft | ||||||
| 08 | keinen Einfluß auf sie ausübt: sie, die Vernunft, wird aber darum nicht | ||||||
| 09 | selbst durch die Sinnlichkeit bestimmt (welches unmöglich ist) und ist daher | ||||||
| 10 | auch in diesem Falle frei. Die Freiheit hindert also nicht das Naturgesetz | ||||||
| 11 | der Erscheinungen, so wenig wie dieses der Freiheit des praktischen | ||||||
| 12 | Vernunftgebrauchs, der mit Dingen an sich selbst als bestimmenden | ||||||
| 13 | Gründen in Verbindung steht, Abbruch thut. | ||||||
| 14 | Hiedurch wird also die praktische Freiheit, nämlich diejenige, in | ||||||
| 15 | welcher die Vernunft nach objectiv=bestimmenden Gründen Causalität hat, | ||||||
| 16 | gerettet, ohne daß der Naturnothwendigkeit in Ansehung eben derselben | ||||||
| 17 | Wirkungen als Erscheinungen der mindeste Eintrag geschieht. Eben dieses | ||||||
| 18 | kann auch zur Erläuterung desjenigen, was wir wegen der transscendentalen | ||||||
| 19 | Freiheit und deren Vereinbarung mit Naturnothwendigkeit (in | ||||||
| 20 | demselben Subjecte, aber nicht in einer und derselben Beziehung genommen) | ||||||
| 21 | zu sagen hatten, dienlich sein. Denn was diese betrifft, so ist ein | ||||||
| 22 | jeder Anfang der Handlung eines Wesens aus objectiven Ursachen respective | ||||||
| 23 | auf diese bestimmende Gründe immer ein erster Anfang, obgleich | ||||||
| 24 | dieselbe Handlung in der Reihe der Erscheinungen nur ein subalterner | ||||||
| 25 | Anfang ist, vor welchem ein Zustand der Ursache vorhergehen muß, der | ||||||
| 26 | sie bestimmt und selbst eben so von einer noch vorhergehenden bestimmt | ||||||
| 27 | wird: so daß man sich an vernünftigen Wesen oder überhaupt an Wesen, | ||||||
| 28 | so fern ihre Causalität in ihnen als Dingen an sich selbst bestimmt wird, | ||||||
| 29 | ohne in Widerspruch mit Naturgesetzen zu gerathen, ein Vermögen denken | ||||||
| 30 | kann, eine Reihe von Zuständen von selbst anzufangen. Denn das Verhältniß | ||||||
| 31 | der Handlung zu objectiven Vernunftgründen ist kein Zeitverhältniß: | ||||||
| 32 | hier geht das, was die Causalität bestimmt, nicht der Zeit nach vor | ||||||
| 33 | der Handlung vorher, weil solche bestimmende Gründe nicht Beziehung | ||||||
| 34 | der Gegenstände auf Sinne, mithin nicht auf Ursachen in der Erscheinung, | ||||||
| 35 | sondern bestimmende Ursachen als Dinge an sich selbst, die nicht unter | ||||||
| 36 | Zeitbedingungen stehen, vorstellen. So kann die Handlung in Ansehung | ||||||
| 37 | der Causalität der Vernunft als ein erster Anfang, in Ansehung der Reihe | ||||||
| [ Seite 345 ] [ Seite 347 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||