Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 304

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01
§ 21 [ a ].
     
           
  02 Um alles Bisherige in einen Begriff zusammenzufassen, ist zuvörderst      
  03 nöthig, die Leser zu erinnern, daß hier nicht von dem Entstehen der      
  04 Erfahrung die Rede sei, sondern von dem, was in ihr liegt. Das erstere      
  05 gehört zur empirischen Psychologie und würde selbst auch da ohne das      
  06 zweite, welches zur Kritik der Erkenntniß und besonders des Verstandes      
  07 gehört, niemals gehörig entwickelt werden können.      
  08 Erfahrung besteht aus Anschauungen, die der Sinnlichkeit angehören,      
  09 und aus Urtheilen, die lediglich ein Geschäfte des Verstandes sind. Diejenige      
  10 Urtheile aber, die der Verstand lediglich aus sinnlichen Anschauungen      
  11 macht, sind noch bei weitem nicht Erfahrungsurtheile. Denn in      
  12 einem Fall würde das Urtheil nur die Wahrnehmungen verknüpfen, so      
  13 wie sie in der sinnlichen Anschauung gegeben sind; in dem letztern Falle      
  14 aber sollen die Urtheile sagen, was Erfahrung überhaupt, mithin nicht,      
  15 was die bloße Wahrnehmung, deren Gültigkeit blos subjectiv ist, enthält.      
  16 Das Erfahrungsurtheil muß also noch über die sinnliche Anschauung      
  17 und die logische Verknüpfung derselben (nachdem sie durch Vergleichung      
  18 allgemein gemacht worden) in einem Urtheile etwas hinzufügen, was das      
  19 synthetische Urtheil als nothwendig und hiedurch als allgemeingültig      
  20 bestimmt; und dieses kann nichts anders sein als derjenige Begriff, der      
  21 die Anschauung in Ansehung einer Form des Urtheils vielmehr als der      
  22 anderen als an sich bestimmt vorstellt, d. i. ein Begriff von derjenigen      
  23 synthetischen Einheit der Anschauungen, die nur durch eine gegebne logische      
  24 Function der Urtheile vorgestellt werden kann.      
           
  25
§ 22.
     
           
  26 Die Summe hievon ist diese: die Sache der Sinne ist, anzuschauen;      
  27 die des Verstandes, zu denken. Denken aber ist Vorstellungen in einem      
  28 Bewußtsein vereinigen. Diese Vereinigung entsteht entweder blos relativ      
  29 aufs Subject und ist zufällig und subjectiv, oder sie findet schlechthin      
  30 statt und ist nothwendig oder objectiv. Die Vereinigung der Vorstellungen      
  31 in einem Bewußtsein ist das Urtheil. Also ist Denken so viel als Urtheilen,      
  32 oder Vorstellungen auf Urtheile überhaupt beziehen. Daher sind      
  33 Urtheile entweder blos subjectiv, wenn Vorstellungen auf ein Bewußtsein      
  34 in einem Subject allein bezogen und in ihm vereinigt werden; oder      
  35 sie sind objectiv, wenn sie in einem Bewußtsein überhaupt, d. i. darin nothwendig,      
           
     

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