Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 289 |
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Text (Kant):
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| 01 | glauben, wären nur Vorstellungen in den denkenden Wesen, | ||||||
| 02 | denen in der That kein außerhalb diesen befindlicher Gegenstand correspondirte. | ||||||
| 03 | Ich dagegen sage: es sind uns Dinge als außer uns befindliche | ||||||
| 04 | Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich | ||||||
| 05 | selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen, | ||||||
| 06 | d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne | ||||||
| 07 | afficiren. Demnach gestehe ich allerdings, daß es außer uns Körper gebe, | ||||||
| 08 | d. i. Dinge, die, obzwar nach dem, was sie an sich selbst sein mögen, uns gänzlich | ||||||
| 09 | unbekannt, wir durch die Vorstellungen kennen, welche ihr Einfluß auf | ||||||
| 10 | unsre Sinnlichkeit uns verschafft, und denen wir die Benennung eines | ||||||
| 11 | Körpers geben; welches Wort also blos die Erscheinung jenes uns unbekannten, | ||||||
| 12 | aber nichts desto weniger wirklichen Gegenstandes bedeutet. Kann | ||||||
| 13 | man dieses wohl Idealismus nennen? Es ist ja gerade das Gegentheil | ||||||
| 14 | davon. | ||||||
| 15 | Daß man unbeschadet der wirklichen Existenz äußerer Dinge von | ||||||
| 16 | einer Menge ihrer Prädicate sagen könne: sie gehörten nicht zu diesen | ||||||
| 17 | Dingen an sich selbst, sondern nur zu ihren Erscheinungen und hätten | ||||||
| 18 | außer unserer Vorstellung keine eigene Existenz, ist etwas, was schon lange | ||||||
| 19 | vor Lockes Zeiten, am meisten aber nach diesen allgemein angenommen | ||||||
| 20 | und zugestanden ist. Dahin gehören die Wärme, die Farbe, der Geschmack etc.. | ||||||
| 21 | Daß ich aber noch über diese aus wichtigen Ursachen die übrigen | ||||||
| 22 | Qualitäten der Körper, die man primarias nennt, die Ausdehnung, | ||||||
| 23 | den Ort und überhaupt den Raum mit allem, was ihm anhängig ist (Undurchdringlichkeit | ||||||
| 24 | oder Materialität, Gestalt etc.), auch mit zu bloßen Erscheinungen | ||||||
| 25 | zähle, dawider kann man nicht den mindesten Grund der Unzulässigkeit | ||||||
| 26 | anführen; und so wenig wie der, so die Farben nicht als Eigenschaften, | ||||||
| 27 | die dem Object an sich selbst, sondern nur den Sinn des Sehens | ||||||
| 28 | als Modificationen anhängen, will gelten lassen, darum ein Idealist heißen | ||||||
| 29 | kann: so wenig kann mein Lehrbegriff idealistisch heißen, blos deshalb | ||||||
| 30 | weil ich finde, daß noch mehr, ja alle Eigenschaften, die die Anschauung | ||||||
| 31 | eines Körpers ausmachen, blos zu seiner Erscheinung gehören; | ||||||
| 32 | denn die Existenz des Dinges, was erscheint, wird dadurch nicht | ||||||
| 33 | wie beim wirklichen Idealism aufgehoben, sondern nur gezeigt, daß wir | ||||||
| 34 | es, wie es an sich selbst sei, durch Sinne gar nicht erkennen können. | ||||||
| 35 | Ich möchte gerne wissen, wie denn meine Behauptungen beschaffen | ||||||
| 36 | sein müßten, damit sie nicht einen Idealism enthielten. Ohne Zweifel | ||||||
| 37 | müßte ich sagen: daß die Vorstellung vom Raume nicht blos dem Verhältnisse, | ||||||
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