Kant: AA IV, Prolegomena zu einer jeden ... , Seite 274 |
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Text (Kant):
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| 01 | synthetischen Sätzen, die die Metaphysik selbst ausmachen, abgesondert | ||||||
| 02 | vorgetragen werden. Denn in der That haben jene Zergliederungen nirgend | ||||||
| 03 | anders einen beträchtlichen Nutzen, als in der Metaphysik, d. i. in | ||||||
| 04 | Absicht auf die synthetischen Sätze, die aus jenen zuerst zergliederten Begriffen | ||||||
| 05 | sollen erzeugt werden. | ||||||
| 06 | Der Schluß dieses Paragraphs ist also: daß Metaphysik es eigentlich | ||||||
| 07 | mit synthetischen Sätzen a priori zu thun habe, und diese allein ihren Zweck | ||||||
| 08 | ausmachen, zu welchem sie zwar allerdings mancher Zergliederungen ihrer | ||||||
| 09 | Begriffe, mithin analytischer Urtheile bedarf, wobei aber das Verfahren | ||||||
| 10 | nicht anders ist, als in jeder andern Erkenntnißart, wo man seine Begriffe | ||||||
| 11 | durch Zergliederung blos deutlich zu machen sucht. Allein die Erzeugung | ||||||
| 12 | der Erkenntniß a priori sowohl der Anschauung als Begriffen nach, | ||||||
| 13 | endlich auch synthetischer Sätze a priori und zwar im philosophischen Erkenntnisse | ||||||
| 14 | machen den wesentlichen Inhalt der Metaphysik aus. | ||||||
| 15 | Überdrüssig also des Dogmatismus, der uns nichts lehrt, und zugleich | ||||||
| 16 | des Scepticismus, der uns gar überall nichts verspricht, auch nicht | ||||||
| 17 | einmal den Ruhestand einer erlaubten Unwissenheit, aufgefordert durch | ||||||
| 18 | die Wichtigkeit der Erkenntniß, deren wir bedürfen, und mißtrauisch durch | ||||||
| 19 | lange Erfahrung in Ansehung jeder, die wir zu besitzen glauben, oder die | ||||||
| 20 | sich uns unter dem Titel der reinen Vernunft anbietet, bleibt uns nur | ||||||
| 21 | noch eine kritische Frage übrig, nach deren Beantwortung wir unser künftiges | ||||||
| 22 | Betragen einrichten können: Ist überall Metaphysik möglich? | ||||||
| 23 | Aber diese Frage muß nicht durch sceptische Einwürfe gegen gewisse Behauptungen | ||||||
| 24 | einer wirklichen Metaphysik (denn wir lassen jetzt noch keine | ||||||
| 25 | gelten), sondern aus dem nur noch problematischen Begriffe einer solchen | ||||||
| 26 | Wissenschaft beantwortet werden. | ||||||
| 27 | In der Kritik der reinen Vernunft bin ich in Absicht auf diese | ||||||
| 28 | Frage synthetisch zu Werke gegangen, nämlich so, daß ich in der reinen | ||||||
| 29 | Vernunft selbst forschte und in dieser Quelle selbst die Elemente sowohl, | ||||||
| 30 | als auch die Gesetze ihres reinen Gebrauchs nach Prinzipien zu bestimmen | ||||||
| 31 | suchte. Diese Arbeit ist schwer und erfordert einen entschlossenen Leser, | ||||||
| 32 | sich nach und nach in ein System hinein zu denken, was noch nichts als | ||||||
| 33 | gegeben zum Grunde legt außer die Vernunft selbst und also, ohne sich | ||||||
| 34 | auf irgend ein Factum zu stützen, die Erkenntniß aus ihren ursprünglichen | ||||||
| 35 | Keimen zu entwickeln sucht. Prolegomena sollen dagegen Vorübungen | ||||||
| 36 | sein; sie sollen mehr anzeigen, was man zu thun habe, um eine Wissenschaft | ||||||
| 37 | wo möglich zur Wirklichkeit zu bringen, als sie selbst vortragen. Sie | ||||||
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