Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 247 |
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01 | Vorstellungen zu Gegenständen macht und sich so in einem ewigen Zirkel | ||||||
02 | von Zweideutigkeiten und Widersprüchen herum dreht. Nicht als die | ||||||
03 | Nüchternheit einer strengen, aber gerechten Kritik kann von diesem dogmatischen | ||||||
04 | Blendwerke, das so viele durch eingebildete Glückseligkeit unter | ||||||
05 | Theorien und Systemen hinhält, befreien und alle unsere speculative Ansprüche | ||||||
06 | blos auf das Feld möglicher Erfahrung einschränken, nicht etwa | ||||||
07 | durch schalen Spott über so oft fehlgeschlagene Versuche, oder fromme | ||||||
08 | Seufzer über die Schranken unserer Vernunft, sondern vermittelst einer | ||||||
09 | nach sicheren Grundsätzen vollzogenen Gränzbestimmung derselben, welche | ||||||
10 | ihr nihil ulterius mit größter Zuverlässigkeit an die herculische Säulen | ||||||
11 | heftet, die die Natur selbst aufgestellt hat, um die Fahrt unserer Vernunft | ||||||
12 | nur so weit, als die stetig fortlaufende Küsten der Erfahrung reichen, fortzusetzen, | ||||||
13 | die wir nicht verlassen können, ohne uns auf einen uferlosen Ocean | ||||||
14 | zu wagen, der uns unter immer trüglichen Aussichten am Ende nöthigt, | ||||||
15 | alle beschwerliche und langwierige Bemühung als hoffnungslos aufzugeben. | ||||||
16 | Wir sind noch eine deutliche und allgemeine Erörterung des transscendentalen | ||||||
17 | und doch natürlichen Scheins in den Paralogismen der reinen | ||||||
18 | Vernunft, imgleichen die Rechtfertigung der systematischen und der | ||||||
19 | Tafel der Kategorien parallel laufenden Anordnung derselben bisher | ||||||
20 | schuldig geblieben. Wir hätten sie im Anfange dieses Abschnitts nicht übernehmen | ||||||
21 | können, ohne in Gefahr der Dunkelheit zu gerathen, oder uns unschicklicher | ||||||
22 | Weise selbst vorzugreifen. Jetzt wollen wir diese Obliegenheit | ||||||
23 | zu erfüllen suchen. | ||||||
24 | Man kann allen Schein darin setzen: daß die subjective Bedingung | ||||||
25 | des Denkens für die Erkenntniß des Objects gehalten wird. | ||||||
26 | Ferner haben wir in der Einleitung in die transscendentale Dialektik gezeigt: | ||||||
27 | daß reine Vernunft sich lediglich mit der Totalität der Synthesis | ||||||
28 | der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten beschäftige. Da nun der | ||||||
29 | dialektische Schein der reinen Vernunft kein empirischer Schein sein kann, | ||||||
30 | der sich beim bestimmten empirischen Erkenntnisse vorfindet, so wird er | ||||||
31 | das Allgemeine der Bedingungen des Denkens betreffen, und es wird nur | ||||||
32 | drei Fälle des dialektischen Gebrauchs der reinen Vernunft geben: | ||||||
33 | 1. Die Synthesis der Bedingungen eines Gedankens überhaupt. | ||||||
34 | 2. Die Synthesis der Bedingungen des empirischen Denkens. | ||||||
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