Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 246

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Von diesen Erinnerungen über die Gemeinschaft zwischen dem denkenden      
  02 und den ausgedehnten Wesen ist die Entscheidung aller Streitigkeiten      
  03 oder Einwürfe, welche den Zustand der denkenden Natur vor dieser      
  04 Gemeinschaft (dem Leben), oder nach aufgehobener solchen Gemeinschaft      
  05 (im Tode) betreffen, eine unmittelbare Folge. Die Meinung, daß das      
  06 denkende Subject vor aller Gemeinschaft mit Körpern habe denken können,      
  07 würde sich so ausdrücken: daß vor dem Anfange dieser Art der Sinnlichkeit,      
  08 wodurch uns etwas im Raume erscheint, dieselbe transscendentale      
  09 Gegenstände, welche im gegenwärtigen Zustande als Körper erscheinen,      
  10 auf ganz andere Art haben angeschaut werden können. Die Meinung      
  11 aber, daß die Seele nach Aufhebung aller Gemeinschaft mit der körperlichen      
  12 Welt noch fortfahren könne zu denken, würde sich in dieser Form      
  13 ankündigen: daß, wenn die Art der Sinnlichkeit, wodurch uns transscendentale      
  14 und für jetzt ganz unbekannte Gegenstände als materielle Welt      
  15 erscheinen, aufhören sollte, so sei darum noch nicht alle Anschauung derselben      
  16 aufgehoben, und es sei ganz wohl möglich, daß eben dieselbe unbekannte      
  17 Gegenstände fortführen, obzwar freilich nicht mehr in der Qualität      
  18 der Körper, von dem denkenden Subject erkannt zu werden.      
           
  19 Nun kann zwar niemand den mindesten Grund zu einer solchen Behauptung      
  20 aus speculativen Principien anführen, ja nicht einmal die Möglichkeit      
  21 davon darthun, sondern nur voraussetzen; aber eben so wenig kann      
  22 auch jemand irgend einen gültigen dogmatischen Einwurf dagegen machen.      
  23 Denn wer er auch sei, so weiß er eben so wenig von der absoluten und      
  24 inneren Ursache äußerer und körperlicher Erscheinungen, wie ich oder jemand      
  25 anders. Er kann also auch nicht mit Grunde vorgeben, zu wissen,      
  26 worauf die Wirklichkeit der äußeren Erscheinungen im jetzigen Zustande      
  27 (im Leben) beruhe, mithin auch nicht: daß die Bedingung aller äußeren      
  28 Anschauung, oder auch das denkende Subject selbst nach demselben (im      
  29 Tode) aufhören werde.      
           
  30 So ist denn also aller Streit über die Natur unseres denkenden Wesens      
  31 und der Verknüpfung desselben mit der Körperwelt lediglich eine      
  32 Folge davon, daß man in Aufhebung dessen, wovon man nichts weiß, die      
  33 Lücke durch Paralogismen der Vernunft ausfüllt, da man seine Gedanken      
  34 zu Sachen macht und sie hypostasirt; woraus eingebildete Wissenschaft sowohl      
  35 in Ansehung dessen, der bejahend, als dessen, der verneinend behauptet,      
  36 entspringt, indem ein jeder entweder von Gegenständen etwas zu      
  37 wissen vermeint, davon kein Mensch einigen Begriff hat, oder seine eigene      
           
     

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