Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 234

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 zuzugestehen, als einem von den Problemen, daraus die menschliche Vernunft      
  02 sich schwerlich zu helfen wisse. Denn in der That, wenn man äußere      
  03 Erscheinungen als Vorstellungen ansieht, die von ihren Gegenständen als      
  04 an sich außer uns befindlichen Dingen in uns gewirkt werden, so ist nicht      
  05 abzusehen, wie man dieser ihr Dasein anders als durch den Schluß von      
  06 der Wirkung auf die Ursache erkennen könne, bei welchem es immer zweifelhaft      
  07 bleiben muß, ob die letztere in uns, oder außer uns sei. Nun kann      
  08 man zwar einräumen, daß von unseren äußeren Anschauungen etwas,      
  09 was im transscendentalen Verstande außer uns sein mag, die Ursache sei;      
  10 aber dieses ist nicht der Gegenstand, den wir unter den Vorstellungen der      
  11 Materie und körperlicher Dinge verstehen; denn diese sind lediglich Erscheinungen,      
  12 d. i. bloße Vorstellungsarten, die sich jederzeit nur in uns      
  13 befinden, und deren Wirklichkeit auf dem unmittelbaren Bewußtsein eben      
  14 so, wie das Bewußtsein meiner eigenen Gedanken beruht. Der transscendentale      
  15 Gegenstand ist sowohl in Ansehung der inneren als äußeren Anschauung      
  16 gleich unbekannt. Von ihm aber ist auch nicht die Rede, sondern      
  17 von dem empirischen, welcher alsdann ein äußerer heißt, wenn er im      
  18 Raume, und ein innerer Gegenstand, wenn er lediglich im Zeitverhältnisse      
  19 vorgestellt wird; Raum aber und Zeit sind beide nur in uns      
  20 anzutreffen.      
           
  21 Weil indessen der Ausdruck: außer uns, eine nicht zu vermeidende      
  22 Zweideutigkeit bei sich führt, indem er bald etwas bedeutet, was als      
  23 Ding an sich selbst von uns unterschieden existirt, bald was blos zur      
  24 äußeren Erscheinung gehört, so wollen wir, um diesen Begriff in der      
  25 letzteren Bedeutung, als in welcher eigentlich die psychologische Frage      
  26 wegen der Realität unserer äußeren Anschauung genommen wird, außer      
  27 Unsicherheit zu setzen, empirisch äußerliche Gegenstände dadurch von      
  28 denen, die so im transscendentalen Sinne heißen möchten, unterscheiden,      
  29 daß wir sie gerade zu Dinge nennen, die im Raume anzutreffen sind.      
  30 Raum und Zeit sind zwar Vorstellungen a priori, welche uns als      
  31 Formen unserer sinnlichen Anschauung beiwohnen, ehe noch ein wirklicher      
  32 Gegenstand unseren Sinn durch Empfindung bestimmt hat, um ihn unter      
  33 jenen sinnlichen Verhältnissen vorzustellen. Allein dieses Materielle oder      
  34 Reale, dieses Etwas, was im Raume angeschaut werden soll, setzt nothwendig      
  35 Wahrnehmung voraus und kann unabhängig von dieser, welche die      
  36 Wirklichkeit von Etwas im Raume anzeigt, durch keine Einbildungskraft      
  37 gedichtet und hervorgebracht werden. Empfindung ist also dasjenige, was      
           
     

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