| Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 231 | |||||||
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| 01 | Also ist das Dasein aller Gegenstände äußerer Sinne zweifelhaft. | ||||||
| 02 | Diese Ungewißheit nenne ich die Idealität äußerer Erscheinungen, und | ||||||
| 03 | die Lehre dieser Idealität heißt der Idealism, in Vergleichung mit | ||||||
| 04 | welchem die Behauptung einer möglichen Gewißheit von Gegenständen | ||||||
| 05 | äußerer Sinne der Dualism genannt wird. | ||||||
| 06 | Kritik des vierten Paralogisms der transscendentalen | ||||||
| 07 | Psychologie. | ||||||
| 08 | Zuerst wollen wir die Prämissen der Prüfung unterwerfen. Wir | ||||||
| 09 | können mit Recht behaupten, daß nur dasjenige, was in uns selbst ist, | ||||||
| 10 | unmittelbar wahrgenommen werden könne, und daß meine eigene Existenz | ||||||
| 11 | allein der Gegenstand einer bloßen Wahrnehmung sein könne. Also ist | ||||||
| 12 | das Dasein eines wirklichen Gegenstandes außer mir (wenn dieses Wort | ||||||
| 13 | in intellectueller Bedeutung genommen wird) niemals gerade zu in der | ||||||
| 14 | Wahrnehmung gegeben, sondern kann nur zu dieser, welche eine Modification | ||||||
| 15 | des inneren Sinnes ist, als äußere Ursache derselben hinzu gedacht | ||||||
| 16 | und mithin geschlossen werden. Daher auch Cartesius mit Recht | ||||||
| 17 | alle Wahrnehmung in der engsten Bedeutung auf den Satz einschränkte: | ||||||
| 18 | Ich (als ein denkend Wesen) bin. Es ist nämlich klar, daß, da das Äußere | ||||||
| 19 | nicht in mir ist, ich es nicht in meiner Apperception, mithin auch in keiner | ||||||
| 20 | Wahrnehmung, welche eigentlich nur die Bestimmung der Apperception | ||||||
| 21 | ist, antreffen könne. | ||||||
| 22 | Ich kann also äußere Dinge eigentlich nicht wahrnehmen, sondern | ||||||
| 23 | nur aus meiner inneren Wahrnehmung auf ihr Dasein schließen, indem | ||||||
| 24 | ich diese als die Wirkung ansehe, wozu etwas Äußeres die nächste Ursache | ||||||
| 25 | ist. Nun ist aber der Schluß von einer gegebenen Wirkung auf eine bestimmte | ||||||
| 26 | Ursache jederzeit unsicher, weil die Wirkung aus mehr als einer | ||||||
| 27 | Ursache entsprungen sein kann. Demnach bleibt es in der Beziehung der | ||||||
| 28 | Wahrnehmung auf ihre Ursache jederzeit zweifelhaft, ob diese innerlich, | ||||||
| 29 | oder äußerlich sei, ob also alle sogenannte äußere Wahrnehmungen nicht | ||||||
| 30 | ein bloßes Spiel unseres innern Sinnes seien, oder ob sie sich auf äußere | ||||||
| 31 | wirkliche Gegenstände als ihre Ursache beziehen. Wenigstens ist das Dasein | ||||||
| 32 | der letzteren nur geschlossen und läuft die Gefahr aller Schlüsse, da | ||||||
| 33 | hingegen der Gegenstand des inneren Sinnes (Ich selbst mit allen meinen | ||||||
| 34 | Vorstellungen) unmittelbar wahrgenommen wird, und die Existenz desselben | ||||||
| 35 | gar keinen Zweifel leidet. | ||||||
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