Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 228

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01
Kritik des dritten Paralogisms der transscendentalen
     
  02
Psychologie.
     
           
  03 Wenn ich die numerische Identität eines äußeren Gegenstandes durch      
  04 Erfahrung erkennen will, so werde ich auf das Beharrliche derjenigen Erscheinung,      
  05 worauf als Subject sich alles übrige als Bestimmung bezieht,      
  06 Acht haben und die Identität von jenem in der Zeit, da dieses wechselt,      
  07 bemerken. Nun aber bin ich ein Gegenstand des innern Sinnes, und alle      
  08 Zeit ist blos die Form des innern Sinnes. Folglich beziehe ich alle und      
  09 jede meiner successiven Bestimmungen auf das numerisch identische Selbst      
  10 in aller Zeit, d. i. in der Form der inneren Anschauung meiner selbst.      
  11 Auf diesen Fuß müßte die Persönlichkeit der Seele nicht einmal als geschlossen,      
  12 sondern als ein völlig identischer Satz des Selbstbewußtseins in      
  13 der Zeit angesehen werden, und das ist auch die Ursache, weswegen er      
  14 a priori gilt. Denn er sagt wirklich nichts mehr als: in der ganzen Zeit,      
  15 darin ich mir meiner bewußt bin, bin ich mir dieser Zeit als zur Einheit      
  16 meines Selbst gehörig bewußt; und es ist einerlei, ob ich sage: diese ganze      
  17 Zeit ist in mir als individueller Einheit, oder: ich bin mit numerischer      
  18 Identität in aller dieser Zeit befindlich.      
           
  19 Die Identität der Person ist also in meinem eigenen Bewußtsein unausbleiblich      
  20 anzutreffen. Wenn ich mich aber aus dem Gesichtspunkte      
  21 eines andern (als Gegenstand seiner äußeren Anschauung) betrachte, so      
  22 erwägt dieser äußere Beobachter mich allererst in der Zeit, denn in der      
  23 Apperception ist die Zeit eigentlich nur in mir vorgestellt. Er wird also      
  24 aus dem Ich, welches alle Vorstellungen zu aller Zeit in meinem Bewußtsein      
  25 und zwar mit völliger Identität begleitet, ob er es gleich einräumt,      
  26 doch noch nicht auf die objective Beharrlichkeit meiner selbst schließen.      
  27 Denn da alsdann die Zeit, in welche der Beobachter mich setzt, nicht diejenige      
  28 ist, die in meiner eigenen, sondern die in seiner Sinnlichkeit angetroffen      
  29 wird, so ist die Identität, die mit meinem Bewußtsein nothwendig      
  30 verbunden ist, nicht darum mit dem seinigen, d. i. mit der äußeren Anschauung      
  31 meines Subjects, verbunden.      
           
  32 Es ist also die Identität des Bewußtseins meiner selbst in verschiedenen      
  33 Zeiten nur eine formale Bedingung meiner Gedanken und ihres Zusammenhanges,      
  34 beweiset aber gar nicht die numerische Identität meines      
  35 Subjects, in welchem unerachtet der logischen Identität des Ich doch ein      
  36 solcher Wechsel vorgegangen sein kann, der es nicht erlaubt, die Identität      
           
     

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