Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 221 |
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01 | Es fehlt so viel, daß man diese Eigenschaften aus der bloßen, reinen | ||||||
02 | Kategorie einer Substanz schließen könnte, daß wir vielmehr die Beharrlichkeit | ||||||
03 | eines gegebenen Gegenstandes aus der Erfahrung zum Grunde | ||||||
04 | legen müssen, wenn wir auf ihn den empirisch brauchbaren Begriff von | ||||||
05 | einer Substanz anwenden wollen. Nun haben wir aber bei unserm Satze | ||||||
06 | keine Erfahrung zum Grunde gelegt, sondern lediglich aus dem Begriffe | ||||||
07 | der Beziehung, die alles Denken auf das Ich als das gemeinschaftliche | ||||||
08 | Subject hat, dem es inhärirt, geschlossen. Wir würden auch, wenn wir es | ||||||
09 | gleich darauf anlegten, durch keine sichere Beobachtung eine solche Beharrlichkeit | ||||||
10 | darthun können. Denn das Ich ist zwar in allen Gedanken; es | ||||||
11 | ist aber mit dieser Vorstellung nicht die mindeste Anschauung verbunden | ||||||
12 | die es von anderen Gegenständen der Anschauung unterschiede. Man kann | ||||||
13 | also zwar wahrnehmen, daß diese Vorstellung bei allem Denken immer | ||||||
14 | wiederum vorkommt, nicht aber, daß es eine stehende und bleibende Anschauung | ||||||
15 | sei, worin die Gedanken (als wandelbar) wechselten. | ||||||
16 | Hieraus folgt: daß der erste Vernunftschluß der transscendentalen | ||||||
17 | Psychologie uns nur eine vermeintliche neue Einsicht aufhefte, indem er | ||||||
18 | das beständige logische Subject des Denkens für die Erkenntniß des realen | ||||||
19 | Subjects der Inhärenz ausgiebt, von welchem wir nicht die mindeste | ||||||
20 | Kenntniß haben, noch haben können, weil das Bewußtsein das einzige ist, | ||||||
21 | was alle Vorstellungen zu Gedanken macht, und worin mithin alle unsere | ||||||
22 | Wahrnehmungen als dem transscendentalen Subjecte müssen angetroffen | ||||||
23 | werden, und wir außer dieser logischen Bedeutung des Ich keine Kenntniß | ||||||
24 | von dem Subjecte an sich selbst haben, was diesem so wie allen Gedanken | ||||||
25 | als Substratum zum Grunde liegt. Indessen kann man den Satz: | ||||||
26 | die Seele ist Substanz, gar wohl gelten lassen, wenn man sich nur bescheidet, | ||||||
27 | daß dieser unser Begriff nicht im mindesten weiter führe, oder | ||||||
28 | irgend eine von den gewöhnlichen Folgerungen der vernünftelnden Seelenlehre, | ||||||
29 | als z. B. die immerwährende Dauer derselben bei allen Veränderungen | ||||||
30 | und selbst dem Tode des Menschen lehren könne, daß er also nur | ||||||
31 | eine Substanz in der Idee, aber nicht in der Realität bezeichne. | ||||||
32 | Zweiter Paralogism, der Simplicität. |
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33 | Dasjenige Ding, dessen Handlung niemals als die Concurrenz vieler | ||||||
34 | handelnden Dinge angesehen werden kann, ist einfach. | ||||||
35 | Nun ist die Seele oder das denkende Ich ein solches: | ||||||
36 | Also etc.. | ||||||
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