Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 212 |
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| 01 | die absolute Einheit der Bedingung aller Gegenstände des Denkens | ||||||
| 02 | überhaupt enthält. | ||||||
| 03 | Das denkende Subject ist der Gegenstand der Psychologie, der Inbegriff | ||||||
| 04 | aller Erscheinungen (die Welt) der Gegenstand der Kosmologie | ||||||
| 05 | und das Ding, welches die oberste Bedingung der Möglichkeit von allem, | ||||||
| 06 | was gedacht werden kann, enthält (das Wesen aller Wesen), der Gegenstand | ||||||
| 07 | der Theologie. Also giebt die reine Vernunft die Idee zu einer | ||||||
| 08 | transscendentalen Seelenlehre ( psychologia rationalis ), zu einer transscendentalen | ||||||
| 09 | Weltwissenschaft ( cosmologia rationalis ), endlich auch zu einer | ||||||
| 10 | transscendentalen Gotteserkenntniß ( theologia transscendentalis ) an die | ||||||
| 11 | Hand. Der bloße Entwurf sogar zu einer sowohl als der andern dieser | ||||||
| 12 | Wissenschaften schreibt sich gar nicht von dem Verstande her, selbst wenn | ||||||
| 13 | er gleich mit dem höchsten logischen Gebrauche der Vernunft, d. i. allen | ||||||
| 14 | erdenklichen Schlüssen, verbunden wäre, um von einem Gegenstande desselben | ||||||
| 15 | (Erscheinung) zu allen anderen bis in die entlegenste Glieder der | ||||||
| 16 | empirischen Synthesis fortzuschreiten, sondern ist lediglich ein reines und | ||||||
| 17 | ächtes Product oder Problem der reinen Vernunft. | ||||||
| 18 | Was unter diesen drei Titeln aller transscendentalen Ideen für modi | ||||||
| 19 | der reinen Vernunftbegriffe stehen, wird in dem folgenden Hauptstücke | ||||||
| 20 | vollständig dargelegt werden. Sie laufen am Faden der Kategorien fort. | ||||||
| 21 | Denn die reine Vernunft bezieht sich niemals gerade zu auf Gegenstände, | ||||||
| 22 | sondern auf die Verstandesbegriffe von denselben. Eben so wird sich auch | ||||||
| 23 | nur in der völligen Ausführung deutlich machen lassen, wie die Vernunft | ||||||
| 24 | lediglich durch den synthetischen Gebrauch eben derselben Function, deren | ||||||
| 25 | sie sich zum kategorischen Vernunftschlusse bedient, nothwendiger Weise | ||||||
| 26 | auf den Begriff der absoluten Einheit des denkenden Subjects kommen | ||||||
| 27 | müsse, wie das logische Verfahren in hypothetischen die Idee vom Schlechthin | ||||||
| 28 | Unbedingten in einer Reihe gegebener Bedingungen, endlich die | ||||||
| 29 | bloße Form des disjunctiven Vernunftschlusses den höchsten Vernunftbegriff | ||||||
| 30 | von einem Wesen aller Wesen nothwendiger Weise nach sich | ||||||
| 31 | ziehen müsse, ein Gedanke, der beim ersten Anblick äußerst paradox zu | ||||||
| 32 | sein scheint. | ||||||
| 33 | Von diesen transscendentalen Ideen ist eigentlich keine objective | ||||||
| 34 | Deduction möglich, so wie wir sie von den Kategorien liefern konnten. | ||||||
| 35 | Denn in der That haben sie keine Beziehung auf irgend ein Object, was | ||||||
| 36 | ihnen congruent gegeben werden könnte, eben darum weil sie nur Ideen | ||||||
| 37 | sind. Aber eine subjective Ableitung derselben aus der Natur unserer Vernunft | ||||||
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