Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 189

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 auf den Verstand bewirkt werde, wodurch es geschieht, daß subjective      
  02 Gründe des Urtheils mit den objectiven zusammenfließen und diese von      
  03 ihrer Bestimmung abweichend machen*); so wie ein bewegter Körper zwar      
  04 für sich jederzeit die gerade Linie in derselben Richtung halten würde, die      
  05 aber, wenn eine andere Kraft nach einer anderen Richtung zugleich auf      
  06 ihn einfließt, in krummlinichte Bewegung ausschlägt. Um die eigenthümliche      
  07 Handlung des Verstandes von der Kraft, die sich mit einmengt, zu      
  08 unterscheiden, wird es daher nöthig sein, das irrige Urtheil als die Diagonale      
  09 zwischen zwei Kräften anzusehen, die das Urtheil nach zwei verschiedenen      
  10 Richtungen bestimmen, die gleichsam einen Winkel einschließen,      
  11 und jene zusammengesetzte Wirkung in die einfache des Verstandes und      
  12 der Sinnlichkeit aufzulösen, welches in reinen Urtheilen a priori durch      
  13 transscendentale Überlegung geschehen muß, wodurch (wie schon angezeigt      
  14 worden) jeder Vorstellung ihre Stelle in der ihr angemessenen Erkenntnißkraft      
  15 angewiesen, mithin auch der Einfluß der letzteren auf jene unterschieden      
  16 wird.      
           
  17 Unser Geschäfte ist hier nicht, vom empirischen Scheine (z. B. dem      
  18 optischen) zu handeln, der sich bei dem empirischen Gebrauche sonst richtiger      
  19 Verstandesregeln vorfindet und durch welchen die Urtheilskraft durch      
  20 den Einfluß der Einbildung verleitet wird; sondern wir haben es mit dem      
  21 transscendentalen Scheine allein zu thun, der auf Grundsätze einfließt,      
  22 deren Gebrauch nicht einmal auf Erfahrung angelegt ist, als in      
  23 welchem Falle wir doch wenigstens einen Probirstein ihrer Richtigkeit      
  24 haben würden, sondern der uns selbst wider alle Warnungen der Kritik      
  25 gänzlich über den empirischen Gebrauch der Kategorien wegführt und uns      
  26 mit dem Blendwerke einer Erweiterung des reinen Verstandes hinhält.      
  27 Wir wollen die Grundsätze, deren Anwendung sich ganz und gar in      
  28 den Schranken möglicher Erfahrung hält, immanente, diejenige aber,      
  29 welche diese Gränzen überfliegen sollen, transscendente Grundsätze      
  30 nennen. Ich verstehe aber unter diesen nicht den transscendentalen      
  31 Gebrauch oder Mißbrauch der Kategorien, welcher ein bloßer Fehler der      
  32 nicht gehörig durch Kritik gezügelten Urtheilskraft ist, die auf die Gränze      
  33 des Bodens, worauf allein dem reinen Verstande sein Spiel erlaubt ist,      
           
    *)Die Sinnlichkeit, dem Verstande untergelegt als das Object, worauf dieser seine Function anwendet, ist der Quell realer Erkenntnisse. Eben dieselbe aber, so fern sie auf die Verstandeshandlung selbst einfließt und ihn zum Urtheilen bestimmt, ist der Grund des Irrthums.      
           
     

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