Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 176 |
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01 | glaubte. Freilich: wenn ich einen Tropfen Wasser als ein Ding an sich | ||||||
02 | selbst nach allen seinen innern Bestimmungen kenne, so kann ich keinen | ||||||
03 | derselben von dem andern für verschieden gelten lassen, wenn der ganze | ||||||
04 | Begriff desselben mit ihm einerlei ist. Ist er aber Erscheinung im Raume, | ||||||
05 | so hat er seinen Ort nicht blos im Verstande (unter Begriffen), sondern | ||||||
06 | in der sinnlichen äußeren Anschauung (im Raume); und da sind die physische | ||||||
07 | Örter in Ansehung der inneren Bestimmungen der Dinge ganz | ||||||
08 | gleichgültig, und ein Ort = b kann ein Ding, welches einem andern in | ||||||
09 | dem Orte = a völlig ähnlich und gleich ist, eben so wohl aufnehmen, als | ||||||
10 | wenn es von diesem noch so sehr innerlich verschieden wäre. Die Verschiedenheit | ||||||
11 | der Örter macht die Vielheit und Unterscheidung der Gegenstände | ||||||
12 | als Erscheinungen ohne weitere Bedingungen schon für sich nicht | ||||||
13 | allein möglich, sondern auch nothwendig. Also ist jenes scheinbare Gesetz | ||||||
14 | kein Gesetz der Natur. Es ist lediglich eine analytische Regel der Vergleichung | ||||||
15 | der Dinge durch bloße Begriffe. | ||||||
16 | Zweitens: der Grundsatz, daß Realitäten (als bloße Bejahungen) | ||||||
17 | einander niemals logisch widerstreiten, ist ein ganz wahrer Satz von dem | ||||||
18 | Verhältnisse der Begriffe, bedeutet aber weder in Ansehung der Natur, | ||||||
19 | noch überall in Ansehung irgend eines Dinges an sich selbst (von diesem | ||||||
20 | haben wir gar keinen Begriff) das mindeste. Denn der reale Widerstreit | ||||||
21 | findet allerwärts statt, wo A-B = 0 ist, d. i. wo eine Realität, mit der | ||||||
22 | andern in einem Subject verbunden, eine die Wirkung der andern aufhebt, | ||||||
23 | welches alle Hindernisse und Gegenwirkungen in der Natur unaufhörlich | ||||||
24 | vor Augen legen, die gleichwohl, da sie auf Kräften beruhen, realitates | ||||||
25 | phaenomena genannt werden müssen. Die allgemeine Mechanik kann | ||||||
26 | sogar die empirische Bedingung dieses Widerstreits in einer Regel a priori | ||||||
27 | angeben, indem sie auf die Entgegensetzung der Richtungen sieht: eine | ||||||
28 | Bedingung, von welcher der transscendentale Begriff der Realität gar | ||||||
29 | nichts weiß. Obzwar Herr von Leibniz diesen Satz nicht eben mit dem | ||||||
30 | Pomp eines neuen Grundsatzes ankündigte, so bediente er sich doch desselben | ||||||
31 | zu neuen Behauptungen, und seine Nachfolger trugen ihn ausdrücklich | ||||||
32 | in ihre Leibniz=Wolffianische Lehrgebäude ein. Nach diesem Grundsatze | ||||||
33 | sind z. E. alle Übel nichts als Folgen von den Schranken der Geschöpfe, | ||||||
34 | d. i. Negationen, weil diese das einzige Widerstreitende der | ||||||
35 | Realität sind (in dem bloßen Begriffe eines Dinges überhaupt ist es auch | ||||||
36 | wirklich so, aber nicht in den Dingen als Erscheinungen). Imgleichen | ||||||
37 | finden die Anhänger desselben es nicht allein möglich, sondern auch natürlich, | ||||||
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