Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 175

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 seines Denkens verglich. Unsere Tafel der Reflexionsbegriffe schafft      
  02 uns den unerwarteten Vortheil, das Unterscheidende seines Lehrbegriffs      
  03 in allen seinen Theilen und zugleich den leitenden Grund dieser eigenthümlichen      
  04 Denkungsart vor Augen zu legen, der auf nichts als einem      
  05 Mißverstande beruhte. Er verglich alle Dinge blos durch Begriffe mit      
  06 einander und fand, wie natürlich, keine andere Verschiedenheiten als die,      
  07 durch welche der Verstand seine reine Begriffe von einander unterscheidet.      
  08 Die Bedingungen der sinnlichen Anschauung, die ihre eigene Unterschiede      
  09 bei sich führen, sah er nicht für ursprünglich an; denn die Sinnlichkeit war      
  10 ihm nur eine verworrene Vorstellungsart und kein besonderer Quell der      
  11 Vorstellungen; Erscheinung war ihm die Vorstellung des Dinges an      
  12 sich selbst, obgleich von der Erkenntniß durch den Verstand der logischen      
  13 Form nach unterschieden, da nämlich jene bei ihrem gewöhnlichen Mangel      
  14 der Zergliederung eine gewisse Vermischung von Nebenvorstellungen in      
  15 den Begriff des Dinges zieht, die der Verstand davon abzusondern weiß.      
  16 Mit einem Worte: Leibniz intellectuirte die Erscheinungen, so wie      
  17 Locke die Verstandesbegriffe nach seinem System der Noogonie (wenn      
  18 es mir erlaubt ist, mich dieser Ausdrücke zu bedienen) insgesammt sensificirt,      
  19 d. i. für nichts als empirische, aber abgesonderte Reflexionsbegriffe      
  20 ausgegeben hatte. Anstatt im Verstande und der Sinnlichkeit      
  21 zwei ganz verschiedene Quellen von Vorstellungen zu suchen, die aber nur      
  22 in Verknüpfung objectiv gültig von Dingen urtheilen könnten, hielt      
  23 sich ein jeder dieser großen Männer nur an eine von beiden, die sich ihrer      
  24 Meinung nach unmittelbar auf Dinge an sich selbst bezöge, indessen daß      
  25 die andere nichts that, als die Vorstellungen der ersteren zu verwirren      
  26 oder zu ordnen.      
           
  27 Leibniz verglich demnach die Gegenstände der Sinne als Dinge      
  28 überhaupt blos im Verstande unter einander, erstlich, so fern sie von      
  29 diesem als einerlei oder verschieden geurtheilt werden sollen. Da er also      
  30 lediglich ihre Begriffe und nicht ihre Stelle in der Anschauung, darin die      
  31 Gegenstände allein gegeben werden können, vor Augen hatte und den      
  32 transscendentalen Ort dieser Begriffe (ob das Object unter Erscheinungen,      
  33 oder unter Dinge an sich selbst zu zählen sei) gänzlich aus der Acht ließ,      
  34 so konnte es nicht anders ausfallen, als daß er seinen Grundsatz des Nichtzuunterscheidenden,      
  35 der blos von Begriffen der Dinge überhaupt gilt, auch      
  36 auf die Gegenstände der Sinne ( mundus phaenomenon ) ausdehnte und der      
  37 Naturerkenntniß dadurch keine geringe Erweiterung verschafft zu haben      
           
     

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