Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 140

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 des Dinges bei seiner Veränderung durch alle diese Theile als Elemente      
  02 zu seinem zweiten Zustande übergehe. Es ist kein Unterschied des      
  03 Realen in der Erscheinung, so wie kein Unterschied in der Größe der      
  04 Zeiten der kleinste; und so erwächst der neue Zustand der Realität von      
  05 dem ersten an, darin diese nicht war, durch alle unendliche Grade derselben,      
  06 deren Unterschiede von einander insgesammt kleiner sind, als der zwischen      
  07 0 und a.      
           
  08 Welchen Nutzen dieser Satz in der Naturforschung haben möge, das      
  09 geht uns hier nichts an. Aber wie ein solcher Satz, der unsre Erkenntniß      
  10 der Natur so zu erweitern scheint, völlig a priori möglich sei, das erfordert      
  11 gar sehr unsere Prüfung, wenn gleich der Augenschein beweiset, daß er      
  12 wirklich und richtig sei, und man also der Frage, wie er möglich gewesen,      
  13 überhoben zu sein glauben möchte. Denn es giebt so mancherlei ungegründete      
  14 Anmaßungen der Erweiterung unserer Erkenntniß durch reine      
  15 Vernunft, daß es zum allgemeinen Grundsatz angenommen werden muß,      
  16 deshalb durchaus mißtrauisch zu sein und ohne Documente, die eine      
  17 gründliche Deduction verschaffen können, selbst auf den klärsten dogmatischen      
  18 Beweis nichts dergleichen zu glauben und anzunehmen.      
           
  19 Aller Zuwachs des empirischen Erkenntnisses und jeder Fortschritt      
  20 der Wahrnehmung ist nichts als eine Erweiterung der Bestimmung des      
  21 innern Sinnes, d. i. ein Fortgang in der Zeit, die Gegenstände mögen      
  22 sein, welche sie wollen, Erscheinungen oder reine Anschauungen. Dieser      
  23 Fortgang in der Zeit bestimmt alles und ist an sich selbst durch nichts      
  24 weiter bestimmt, d. i. die Theile desselben sind nur in der Zeit und durch      
  25 die Synthesis derselben, sie aber nicht vor ihr gegeben. Um deswillen ist      
  26 ein jeder Übergang in der Wahrnehmung zu etwas, was in der Zeit folgt,      
  27 eine Bestimmung der Zeit durch die Erzeugung dieser Wahrnehmung und,      
  28 da jene immer und in allen ihren Theilen eine Größe ist, die Erzeugung      
  29 einer Wahrnehmung als einer Größe durch alle Grade, deren keiner der      
  30 kleinste ist, von dem Zero an bis zu ihrem bestimmten Grad. Hieraus      
  31 erhellt nun die Möglichkeit, ein Gesetz der Veränderungen ihrer Form      
  32 nach a priori zu erkennen. Wir anticipiren nur unsere eigene Apprehension,      
  33 deren formale Bedingung, da sie uns vor aller gegebenen Erscheinung      
  34 selbst beiwohnt, allerdings a priori muß erkannt werden können.      
           
  35 So ist demnach eben so, wie die Zeit die sinnliche Bedingung a priori      
  36 von der Möglichkeit eines continuirlichen Fortganges des Existirenden zu      
  37 dem Folgenden enthält, der Verstand vermittelst der Einheit der Apperception      
           
     

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