Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 135 |
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01 | und nothwendig macht, als sie in der Form der innern Anschauung (der | ||||||
02 | Zeit), darin alle Wahrnehmungen ihre Stelle haben müssen, a priori angetroffen | ||||||
03 | wird. | ||||||
04 | Daß also etwas geschieht, ist eine Wahrnehmung, die zu einer möglichen | ||||||
05 | Erfahrung gehört, die dadurch wirklich wird, wenn ich die Erscheinung | ||||||
06 | ihrer Stelle nach in der Zeit als bestimmt, mithin als ein Object | ||||||
07 | ansehe, welches nach einer Regel im Zusammenhange der Wahrnehmungen | ||||||
08 | jederzeit gefunden werden kann. Diese Regel aber, etwas der Zeitfolge | ||||||
09 | nach zu bestimmen, ist: daß in dem, was vorhergeht, die Bedingung anzutreffen | ||||||
10 | sei, unter welcher die Begebenheit jederzeit (d. i. nothwendiger | ||||||
11 | Weise) folgt. Also ist der Satz vom zureichenden Grunde der Grund möglicher | ||||||
12 | Erfahrung, nämlich der objectiven Erkenntniß der Erscheinungen | ||||||
13 | in Ansehung des Verhältnisses derselben in Reihenfolge der Zeit. | ||||||
14 | Der Beweisgrund dieses Satzes aber beruht lediglich auf folgenden | ||||||
15 | Momenten. Zu aller empirischen Erkenntniß gehört die Synthesis des | ||||||
16 | Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft, die jederzeit successiv ist, d. i. | ||||||
17 | die Vorstellungen folgen in ihr jederzeit auf einander. Die Folge aber | ||||||
18 | ist in der Einbildungskraft der Ordnung nach (was vorgehen und was | ||||||
19 | folgen müsse) gar nicht bestimmt, und die Reihe der einander folgenden | ||||||
20 | Vorstellungen kann eben sowohl rückwärts als vorwärts genommen werden. | ||||||
21 | Ist aber diese Synthesis eine Synthesis der Apprehension (des | ||||||
22 | Mannigfaltigen einer gegebenen Erscheinung), so ist die Ordnung im Object | ||||||
23 | bestimmt, oder genauer zu reden, es ist darin eine Ordnung der successiven | ||||||
24 | Synthesis, die ein Object bestimmt, nach welcher etwas nothwendig | ||||||
25 | vorausgehen und, wenn dieses gesetzt ist, das andre nothwendig folgen | ||||||
26 | müsse. Soll also meine Wahrnehmung die Erkenntniß einer Begebenheit | ||||||
27 | enthalten, da nämlich etwas wirklich geschieht, so muß sie ein empirisch | ||||||
28 | Urtheil sein, in welchem man sich denkt, daß die Folge bestimmt sei, d. i. | ||||||
29 | daß sie eine andere Erscheinung der Zeit nach voraussetze, worauf sie nothwendig | ||||||
30 | oder nach einer Regel folgt. Widrigenfalls wenn ich das Vorhergehende | ||||||
31 | setze, und die Begebenheit folgte nicht darauf nothwendig, so | ||||||
32 | würde ich sie nur für ein subjectives Spiel meiner Einbildungen halten | ||||||
33 | müssen und, stellte ich mir darunter doch etwas Objectives vor, sie einen | ||||||
34 | bloßen Traum nennen. Also ist das Verhältniß der Erscheinungen (als | ||||||
35 | möglicher Wahrnehmungen), nach welchem das Nachfolgende (was geschieht) | ||||||
36 | durch etwas Vorhergehendes seinem Dasein nach nothwendig und | ||||||
37 | nach einer Regel in der Zeit bestimmt ist, mithin das Verhältniß der Ursache | ||||||
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