Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 123

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 nicht construiren läßt, so werden sie nur auf das Verhältniß des Daseins      
  02 gehen und keine andre als blos regulative Principien abgeben können. Da      
  03 ist also weder an Axiomen, noch an Anticipationen zu denken, sondern wenn      
  04 uns eine Wahrnehmung in einem Zeitverhältnisse gegen andere (obzwar      
  05 unbestimmte) gegeben ist, so wird a priori nicht gesagt werden können:      
  06 welche andere und wie große Wahrnehmung, sondern wie sie dem Dasein      
  07 nach in diesem modo der Zeit mit jener nothwendig verbunden sei.      
  08 In der Philosophie bedeuten Analogien etwas sehr Verschiedenes von      
  09 demjenigen, was sie in der Mathematik vorstellen. In dieser sind es Formeln,      
  10 welche die Gleichheit zweier Größenverhältnisse aussagen, und jederzeit      
  11 constitutiv, so daß, wenn drei Glieder der Proportion gegeben sind,      
  12 auch das vierte dadurch gegeben wird, d. i. construirt werden kann. In      
  13 der Philosophie aber ist die Analogie nicht die Gleichheit zweier quantitativen,      
  14 sondern qualitativen Verhältnisse, wo ich aus drei gegebenen      
  15 Gliedern nur das Verhältniß zu einem vierten, nicht aber dieses vierte      
  16 Glied selbst erkennen und a priori geben kann, wohl aber eine Regel habe,      
  17 es in der Erfahrung zu suchen, und ein Merkmal, es in derselben aufzufinden.      
  18 Eine Analogie der Erfahrung wird also nur eine Regel sein, nach      
  19 welcher aus Wahrnehmungen Einheit der Erfahrung (nicht wie Wahrnehmung      
  20 selbst als empirische Anschauung überhaupt) entspringen soll,      
  21 und als Grundsatz von den Gegenständen (den Erscheinungen) nicht constitutiv,      
  22 sondern blos regulativ gelten. Eben dasselbe aber wird auch      
  23 von den Postulaten des empirischen Denkens überhaupt, welche die Synthesis      
  24 der bloßen Anschauung (der Form der Erscheinung), der Wahrnehmung      
  25 (der Materie derselben) und der Erfahrung (des Verhältnisses dieser      
  26 Wahrnehmungen) zusammen betreffen, gelten, nämlich daß sie nur regulative      
  27 Grundsätze sind und sich von den mathematischen, die constitutiv      
  28 sind, zwar nicht in der Gewißheit, welche in beiden a priori feststeht, aber      
  29 doch in der Art der Evidenz, d. i. dem Intuitiven derselben, (mithin auch      
  30 der Demonstration) unterscheiden.      
           
  31 Was aber bei allen synthetischen Grundsätzen erinnert ward und hier      
  32 vorzüglich angemerkt werden muß, ist dieses: daß diese Analogien nicht      
  33 als Grundsätze des transscendentalen, sondern blos des empirischen Verstandesgebrauchs      
  34 ihre alleinige Bedeutung und Gültigkeit haben, mithin      
  35 auch nur als solche bewiesen werden können, daß folglich die Erscheinungen      
  36 nicht unter die Kategorien schlechthin, sondern nur unter ihre Schemate      
  37 subsumirt werden müssen. Denn wären die Gegenstände, auf welche diese      
           
     

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