Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 111

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Gegenstände der Erfahrung und haben darum objective Gültigkeit in      
  02 einem synthetischen Urtheile a priori.      
           
  03
Des
     
  04
Systems der Grundsätze des reinen Verstandes
     
           
  05
Dritter Abschnitt.
     
  06
Systematische Vorstellung aller synthetischen Grundsätze
     
  07
desselben.
     
           
  08 Daß überhaupt irgend wo Grundsätze statt finden, das ist lediglich      
  09 dem reinen Verstande zuzuschreiben, der nicht allein das Vermögen der      
  10 Regeln ist in Ansehung dessen, was geschieht, sondern selbst der Quell der      
  11 Grundsätze, nach welchem alles (was uns nur als Gegenstand vorkommen      
  12 kann) nothwendig unter Regeln steht, weil ohne solche den Erscheinungen      
  13 niemals Erkenntniß eines ihnen correspondirenden Gegenstandes zukommen      
  14 könnte. Selbst Naturgesetze, wenn sie als Grundsätze des empirischen      
  15 Verstandesgebrauchs betrachtet werden, führen zugleich einen      
  16 Ausdruck der Nothwendigkeit, mithin wenigstens die Vermuthung einer      
  17 Bestimmung aus Gründen, die a priori und vor aller Erfahrung gültig      
  18 sind, bei sich. Aber ohne Unterschied stehen alle Gesetze der Natur unter      
  19 höheren Grundsätzen des Verstandes, indem sie diese nur auf besondere      
  20 Fälle der Erscheinung anwenden. Diese allein geben also den Begriff, der      
  21 die Bedingung und gleichsam den Exponenten zu einer Regel überhaupt      
  22 enthält, Erfahrung aber giebt den Fall, der unter der Regel steht.      
           
  23 Daß man blos empirische Grundsätze für Grundsätze des reinen Verstandes      
  24 oder auch umgekehrt ansehe, deshalb kann wohl eigentlich keine      
  25 Gefahr sein; denn die Nothwendigkeit nach Begriffen, welche die letztere      
  26 auszeichnet, und deren Mangel in jedem empirischen Satze, so allgemein      
  27 er auch gelten mag, leicht wahrgenommen wird, kann diese Verwechselung      
  28 leicht verhüten. Es giebt aber reine Grundsätze a priori, die ich gleichwohl      
  29 doch nicht dem reinen Verstande eigenthümlich beimessen möchte, darum      
  30 weil sie nicht aus reinen Begriffen, sondern aus reinen Anschauungen      
  31 (obgleich vermittelst des Verstandes) gezogen sind; Verstand ist aber das      
  32 Vermögen der Begriffe. Die Mathematik hat dergleichen, aber ihre Anwendung      
  33 auf Erfahrung, mithin ihre objective Gültigkeit, ja die Möglichkeit      
  34 solcher synthetischer Erkenntniß a priori (die Deduction derselben) beruht      
  35 doch immer auf dem reinen Verstande.      
           
     

[ Seite 110 ] [ Seite 112 ] [ Inhaltsverzeichnis ]