Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 054

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 daß jene allgemeine Logik, die blos ein Kanon zur Beurtheilung ist,      
  02 gleichsam wie ein Organon zur wirklichen Hervorbringung, wenigstens      
  03 dem Blendwerk von objectiven Behauptungen gebraucht und mithin in      
  04 der That dadurch gemißbraucht worden. Die allgemeine Logik nun als      
  05 vermeintes Organon heißt Dialektik.      
           
  06 So verschieden auch die Bedeutung ist, in der die Alten dieser Benennung      
  07 einer Wissenschaft oder Kunst sich bedienten, so kann man doch      
  08 aus dem wirklichen Gebrauche derselben sicher abnehmen, daß sie bei ihnen      
  09 nichts anders war, als die Logik des Scheins: eine sophistische Kunst,      
  10 seiner Unwissenheit, ja auch seinen vorsätzlichen Blendwerken den Anstrich      
  11 der Wahrheit zu geben, daß man die Methode der Gründlichkeit, welche      
  12 die Logik überhaupt vorschreibt, nachahmte und ihre Topik zu Beschönigung      
  13 jedes leeren Vorgebens benutzte. Nun kann man es als eine      
  14 sichere und brauchbare Warnung anmerken: daß die allgemeine Logik, als      
  15 Organon betrachtet, jederzeit eine Logik des Scheins, d. i. dialektisch      
  16 sei. Denn da sie uns gar nichts über den Inhalt der Erkenntniß lehrt,      
  17 sondern nur blos die formale Bedingungen der Übereinstimmung mit dem      
  18 Verstande, welche übrigens in Ansehung der Gegenstände gänzlich gleichgültig      
  19 sind: so muß die Zumuthung, sich derselben als eines Werkzeugs      
  20 (Organon) zu gebrauchen, um seine Kenntnisse wenigstens dem Vorgeben      
  21 nach auszubreiten und zu erweitern, auf nichts als Geschwätzigkeit hinauslaufen,      
  22 alles, was man will, mit einigem Schein zu behaupten oder auch      
  23 nach Belieben anzufechten.      
           
  24 Eine solche Unterweisung ist der Würde der Philosophie auf keine      
  25 Weise gemäß. Um deswillen hat man diese Benennung der Dialektik      
  26 lieber als eine Kritik des dialektischen Scheins der Logik beigezählt,      
  27 und als eine solche wollen wir sie auch hier verstanden wissen.      
           
  28

IV

     
  29

Von der Eintheilung der transscendentalen Logik

     
  30

in die

     
  31

Transscendentale Analytik und Dialektik.

     
           
  32 In einer transscendentalen Logik isoliren wir den Verstand (so wie      
  33 oben in der transscendentalen Ästhetik die Sinnlichkeit) und heben blos      
  34 den Theil des Denkens aus unserm Erkenntnisse heraus, der lediglich      
           
     

[ Seite 053 ] [ Seite 055 ] [ Inhaltsverzeichnis ]