Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 051 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | oder nur empirisch gegeben sein, blos nach den Gesetzen betrachtet, nach | ||||||
| 02 | welchen der Verstand sie im Verhältniß gegen einander braucht, wenn er | ||||||
| 03 | denkt, und also nur von der Verstandesform handelt, die den Vorstellungen | ||||||
| 04 | verschafft werden kann, woher sie auch sonst entsprungen sein mögen. | ||||||
| 05 | Und hier mache ich eine Anmerkung, die ihren Einfluß auf alle nachfolgende | ||||||
| 06 | Betrachtungen erstreckt, und die man wohl vor Augen haben muß, | ||||||
| 07 | nämlich: daß nicht eine jede Erkenntniß a priori, sondern nur die, dadurch | ||||||
| 08 | wir erkennen, daß und wie gewisse Vorstellungen (Anschauungen | ||||||
| 09 | oder Begriffe) lediglich a priori angewandt werden oder möglich sind, | ||||||
| 10 | transscendental (d. i. die Möglichkeit der Erkenntniß oder der Gebrauch | ||||||
| 11 | derselben a priori) heißen müsse. Daher ist weder der Raum, noch irgend | ||||||
| 12 | eine geometrische Bestimmung desselben a priori eine transscendentale | ||||||
| 13 | Vorstellung; sondern nur die Erkenntniß, daß diese Vorstellungen gar | ||||||
| 14 | nicht empirischen Ursprungs sind, und die Möglichkeit, wie sie sich gleichwohl | ||||||
| 15 | a priori auf Gegenstände der Erfahrung beziehen können, kann | ||||||
| 16 | transscendental heißen. Imgleichen würde der Gebrauch des Raumes | ||||||
| 17 | von Gegenständen überhaupt auch transscendental sein: aber ist er | ||||||
| 18 | lediglich auf Gegenstände der Sinne eingeschränkt, so heißt er empirisch. | ||||||
| 19 | Der Unterschied des Transscendentalen und Empirischen gehört also nur | ||||||
| 20 | zur Kritik der Erkenntnisse und betrifft nicht die Beziehung derselben auf | ||||||
| 21 | ihren Gegenstand. | ||||||
| 22 | In der Erwartung also, daß es vielleicht Begriffe geben könne, die | ||||||
| 23 | sich a priori auf Gegenstände beziehen mögen, nicht als reine oder sinnliche | ||||||
| 24 | Anschauungen, sondern blos als Handlungen des reinen Denkens, | ||||||
| 25 | die mithin Begriffe, aber weder empirischen noch ästhetischen Ursprungs | ||||||
| 26 | sind, so machen wir uns zum voraus die Idee von einer Wissenschaft des | ||||||
| 27 | reinen Verstandes und Vernunfterkenntnisses, dadurch wir Gegenstände | ||||||
| 28 | völlig a priori denken. Eine solche Wissenschaft, welche den Ursprung, | ||||||
| 29 | den Umfang und die objective Gültigkeit solcher Erkenntnisse bestimmte, | ||||||
| 30 | würde transscendentale Logik heißen müssen, weil sie es blos mit den | ||||||
| 31 | Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zu thun hat, aber lediglich so | ||||||
| 32 | fern sie auf Gegenstände a priori bezogen wird und nicht wie die allgemeine | ||||||
| 33 | Logik auf die empirische sowohl, als reine Vernunfterkenntnisse | ||||||
| 34 | ohne Unterschied. | ||||||
| [ Seite 050 ] [ Seite 052 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||