Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 521

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Transscendentalen halte und das, was etwa hiebei psychologisch, d. i. empirisch,      
  02 sein möchte, gänzlich bei Seite setze.      
           
  03 Und da ist denn zuerst anzumerken, daß ich mich für jetzt des Begriffs      
  04 der Freiheit nur im praktischen Verstande bedienen werde und den in      
  05 transscendentaler Bedeutung, welcher nicht als ein Erklärungsgrund der      
  06 Erscheinungen empirisch vorausgesetzt werden kann, sondern selbst ein Problem      
  07 für die Vernunft ist, hier als oben abgethan bei Seite setze. Eine      
  08 Willkür nämlich ist bloß thierisch ( arbitrium brutum ), die nicht anders      
  09 als durch sinnliche Antriebe, d. i. pathologisch, bestimmt werden kann.      
  10 Diejenige aber, welche unabhängig von sinnlichen Antrieben, mithin durch      
  11 Bewegursachen, welche nur von der Vernunft vorgestellt werden, bestimmt      
  12 werden kann, heißt die freie Willkür ( arbitrium liberum ), und alles,      
  13 was mit dieser, es sei als Grund oder Folge, zusammenhängt, wird praktisch      
  14 genannt. Die praktische Freiheit kann durch Erfahrung bewiesen      
  15 werden. Denn nicht bloß das, was reizt, d. i. die Sinne unmittelbar      
  16 afficirt, bestimmt die menschliche Willkür, sondern wir haben ein Vermögen,      
  17 durch Vorstellungen von dem, was selbst auf entferntere Art      
  18 nützlich oder schädlich ist, die Eindrücke auf unser sinnliches Begehrungsvermögen      
  19 zu überwinden; diese Überlegungen aber von dem, was in Ansehung      
  20 unseres ganzen Zustandes begehrungswerth, d. i. gut und nützlich,      
  21 ist, beruhen auf der Vernunft. Diese giebt daher auch Gesetze, welche      
  22 Imperativen, d. i. objective Gesetze der Freiheit, sind, und welche sagen,      
  23 was geschehen soll, ob es gleich vielleicht nie geschieht, und sich      
  24 darin von Naturgesetzen, die nur von dem handeln, was geschieht,      
  25 unterscheiden, weshalb sie auch praktische Gesetze genannt werden.      
  26 Ob aber die Vernunft selbst in diesen Handlungen, dadurch sie Gesetze      
           
  27 vorschreibt, nicht wiederum durch anderweitige Einflüsse bestimmt sei,      
  28 und das, was in Absicht auf sinnliche Antriebe Freiheit heißt, in Ansehung      
  29 höherer und entfernterer wirkenden Ursachen nicht wiederum Natur      
  30 sein möge, das geht uns im Praktischen, da wir nur die Vernunft um die      
  31 Vorschrift des Verhaltens zunächst befragen, nichts an, sondern ist eine      
  32 bloß speculative Frage, die wir, so lange als unsere Absicht aufs Thun      
  33 oder Lassen gerichtet ist, bei Seite setzen können. Wir erkennen also die      
  34 praktische Freiheit durch Erfahrung als eine von den Naturursachen, nämlich      
  35 eine Causalität der Vernunft in Bestimmung des Willens, indessen      
           
     

[ Seite 520 ] [ Seite 522 ] [ Inhaltsverzeichnis ]