Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 515 |
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01 | unterzuschieben. Wo dieses letztere aber herrschend ist, da muß es sich | ||||||
02 | häufig zutragen, daß das Gegentheil eines gewissen Satzes entweder bloß | ||||||
03 | den subjectiven Bedingungen des Denkens widerspricht, aber nicht dem | ||||||
04 | Gegenstande, oder daß beide Sätze nur unter einer subjectiven Bedingung, | ||||||
05 | die fälschlich für objectiv gehalten, einander widersprechen und, da die Bedingung | ||||||
06 | falsch ist, alle beide falsch sein können, ohne daß von der Falschheit | ||||||
07 | des einen auf die Wahrheit des andern geschlossen werden kann. | ||||||
08 | In der Mathematik ist diese Subreption unmöglich; daher haben sie | ||||||
09 | daselbst auch ihren eigentlichen Platz. In der Naturwissenschaft, weil sich | ||||||
10 | daselbst alles auf empirische Anschauungen gründet, kann jene Erschleichung | ||||||
11 | durch viel verglichene Beobachtungen zwar mehrentheils verhütet | ||||||
12 | werden; aber diese Beweisart ist daselbst doch mehrentheils unerheblich. | ||||||
13 | Aber die transscendentalen Versuche der reinen Vernunft werden insgesammt | ||||||
14 | innerhalb dem eigentlichen Medium des dialektischen Scheins angestellt, | ||||||
15 | d. i. des Subjectiven, welches sich der Vernunft in ihren Prämissen | ||||||
16 | als objectiv anbietet, oder gar aufdringt. Hier nun kann es, was | ||||||
17 | synthetische Sätze betrifft, gar nicht erlaubt werden, seine Behauptungen | ||||||
18 | dadurch zu rechtfertigen, daß man das Gegentheil widerlegt. Denn entweder | ||||||
19 | diese Widerlegung ist nichts andres als die bloße Vorstellung des | ||||||
20 | Widerstreits der entgegengesetzten Meinung mit den subjectiven Bedingungen | ||||||
21 | der Begreiflichkeit durch unsere Vernunft, welches gar nichts dazu | ||||||
22 | thut, um die Sache selbst darum zu verwerfen (so wie z. B. die unbedingte | ||||||
23 | Nothwendigkeit im Dasein eines Wesens schlechterdings von uns nicht begriffen | ||||||
24 | werden kann und sich daher subjectiv jedem speculativen Beweise | ||||||
25 | eines nothwendigen obersten Wesens mit Recht, der Möglichkeit eines solchen | ||||||
26 | Urwesens aber an sich selbst mit Unrecht widersetzt); oder beide, sowohl | ||||||
27 | der behauptende als der verneinende Theil, legen, durch den transscendentalen | ||||||
28 | Schein betrogen, einen unmöglichen Begriff vom Gegenstande | ||||||
29 | zum Grunde, und da gilt die Regel: non entis nulla sunt praedicata , | ||||||
30 | d. i. sowohl was man bejahend, als was man verneinend von dem Gegenstande | ||||||
31 | behauptete, ist beides unrichtig, und man kann nicht apagogisch | ||||||
32 | durch die Widerlegung des Gegentheils zur Erkenntniß der Wahrheit gelangen. | ||||||
33 | So zum Beispiel, wenn vorausgesetzt wird, daß die Sinnenwelt | ||||||
34 | an sich selbst ihrer Totalität nach gegeben sei, so ist es falsch, daß sie | ||||||
35 | entweder unendlich dem Raume nach, oder endlich und begrenzt sein | ||||||
36 | müsse, darum weil beides falsch ist. Denn Erscheinungen (als bloße Vorstellungen), | ||||||
37 | die doch an sich selbst (als Objecte) gegeben wären, sind | ||||||
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