Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 510 |
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01 | befindlichen Leitfaden unmöglich. In der Mathematik ist es die Anschauung | ||||||
02 | a priori, die meine Synthesis leitet, und da können alle Schlüsse unmittelbar | ||||||
03 | an der reinen Anschauung geführt werden. Im transscendentalen | ||||||
04 | Erkenntniß, so lange es bloß mit Begriffen des Verstandes zu thun | ||||||
05 | hat, ist diese Richtschnur die mögliche Erfahrung. Der Beweis zeigt nämlich | ||||||
06 | nicht, daß der gegebene Begriff (z. B. von dem, was geschieht) geradezu | ||||||
07 | auf einen anderen Begriff (den einer Ursache) führe; denn dergleichen | ||||||
08 | Übergang wäre ein Sprung, der sich gar nicht verantworten ließe; sondern | ||||||
09 | er zeigt, daß die Erfahrung selbst, mithin das Object der Erfahrung ohne | ||||||
10 | eine solche Verknüpfung unmöglich wäre. Also mußte der Beweis zugleich | ||||||
11 | die Möglichkeit anzeigen, synthetisch und a priori zu einer gewissen Erkenntniß | ||||||
12 | von Dingen zu gelangen, die in dem Begriffe von ihnen nicht | ||||||
13 | enthalten war. Ohne diese Aufmerksamkeit laufen die Beweise wie Wasser, | ||||||
14 | welche ihre Ufer durchbrechen, wild und querfeldein dahin, wo der Hang | ||||||
15 | der verborgenen Association sie zufälliger Weise hinleitet. Der Schein | ||||||
16 | der Überzeugung, welcher auf subjectiven Ursachen der Association beruht | ||||||
17 | und für die Einsicht einer natürlichen Affinität gehalten wird, kann der | ||||||
18 | Bedenklichkeit gar nicht die Wage halten, die sich billigermaßen über dergleichen | ||||||
19 | gewagte Schritte einfinden muß. Daher sind auch alle Versuche, | ||||||
20 | den Satz des zureichenden Grundes zu beweisen, nach dem allgemeinen | ||||||
21 | Geständnisse der Kenner vergeblich gewesen; und ehe die transscendentale | ||||||
22 | Kritik auftrat, hat man lieber, da man diesen Grundsatz doch nicht verlassen | ||||||
23 | konnte, sich trotzig auf den gesunden Menschenverstand berufen (eine | ||||||
24 | Zuflucht, die jederzeit beweiset, daß die Sache der Vernunft verzweifelt | ||||||
25 | ist), als neue dogmatische Beweise versuchen wollen. | ||||||
26 | Ist aber der Satz, über den ein Beweis geführt werden soll, eine Behauptung | ||||||
27 | der reinen Vernunft, und will ich sogar vermittelst bloßer Ideen | ||||||
28 | über meine Erfahrungsbegriffe hinausgehen, so müßte derselbe noch viel | ||||||
29 | mehr die Rechtfertigung eines solchen Schrittes der Synthesis (wenn er | ||||||
30 | anders möglich wäre) als eine nothwendige Bedingung seiner Beweiskraft | ||||||
31 | in sich enthalten. So scheinbar daher auch der vermeintliche Beweis | ||||||
32 | der einfachen Natur unserer denkenden Substanz aus der Einheit der | ||||||
33 | Apperception sein mag, so steht ihm doch die Bedenklichkeit unabweislich | ||||||
34 | entgegen: daß, da die absolute Einfachheit doch kein Begriff ist, der unmittelbar | ||||||
35 | auf eine Wahrnehmung bezogen werden kann, sondern als Idee | ||||||
36 | bloß geschlossen werden muß, gar nicht einzusehen ist, wie mich das bloße | ||||||
37 | Bewußtsein, welches in allem Denken enthalten ist, oder wenigstens sein | ||||||
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