Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 503

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 der Substanzen, die von aller derjenigen unterschieden ist, welche Erfahrung      
  02 an die Hand giebt, keine Gegenwart anders als im Raume, keine      
  03 Dauer als bloß in der Zeit. Mit einem Worte: es ist unserer Vernunft      
  04 nur möglich, die Bedingungen möglicher Erfahrung als Bedingungen      
  05 der Möglichkeit der Sachen zu brauchen, keinesweges aber, ganz unabhängig      
  06 von diesen sich selbst welche gleichsam zu schaffen, weil dergleichen      
  07 Begriffe, obzwar ohne Widerspruch, dennoch auch ohne Gegenstand sein      
  08 würden.      
           
  09 Die Vernunftbegriffe sind, wie gesagt, bloße Ideen und haben freilich      
  10 keinen Gegenstand in irgend einer Erfahrung, aber bezeichnen darum      
  11 doch nicht gedichtete und zugleich dabei für möglich angenommene Gegenstände.      
  12 Sie sind bloß problematisch gedacht, um in Beziehung auf sie      
  13 (als heuristische Fictionen) regulative Principien des systematischen Verstandesgebrauchs      
  14 im Felde der Erfahrung zu gründen. Geht man davon      
  15 ab, so sind es bloße Gedankendinge, deren Möglichkeit nicht erweislich ist,      
  16 und die daher auch nicht der Erklärung wirklicher Erscheinungen durch      
  17 eine Hypothese zum Grunde gelegt werden können. Die Seele sich als      
  18 einfach denken, ist ganz wohl erlaubt, um nach dieser Idee eine vollständige      
  19 und nothwendige Einheit aller Gemüthskräfte, ob man sie gleich      
  20 nicht in concreto einsehen kann, zum Princip unserer Beurtheilung ihrer      
  21 inneren Erscheinungen zu legen. Aber die Seele als einfache Substanz      
  22 anzunehmen (ein transscendenter Begriff) wäre ein Satz, der nicht allein      
  23 unerweislich (wie es mehrere physische Hypothesen sind), sondern auch      
  24 ganz willkürlich und blindlings gewagt sein würde, weil das Einfache in      
  25 ganz und gar keiner Erfahrung vorkommen kann, und, wenn man unter      
  26 Substanz hier das beharrliche Object der sinnlichen Anschauung versteht,      
  27 die Möglichkeit einer einfachen Erscheinung gar nicht einzusehen ist.      
  28 Bloß intelligibele Wesen oder bloß intelligibele Eigenschaften der Dinge      
  29 der Sinnenwelt lassen sich mit keiner gegründeten Befugniß der Vernunft      
  30 als Meinung annehmen, obzwar (weil man von ihrer Möglichkeit oder      
  31 Unmöglichkeit keine Begriffe hat) auch durch keine vermeinte bessere Einsicht      
  32 dogmatisch ableugnen.      
           
  33 Zur Erklärung gegebener Erscheinungen können keine andere Dinge      
  34 und Erklärungsgründe als die, so nach schon bekannten Gesetzen der Erscheinungen      
  35 mit den gegebenen in Verknüpfung gesetzt worden, angeführt      
  36 werden. Eine transscendentale Hypothese, bei der eine bloße Idee      
  37 der Vernunft zur Erklärung der Naturdinge gebraucht würde, würde daher      
           
     

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