Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 417 |
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01 | reicht, mit Gewißheit, weiterhin aber nach allen Grundsätzen der Analogie | ||||||
02 | mit Wahrscheinlichkeit schließen. | ||||||
03 | Ohne hier mit der natürlichen Vernunft über ihren Schluß zu chicaniren, | ||||||
04 | da sie aus der Analogie einiger Naturproducte mit demjenigen, was | ||||||
05 | menschliche Kunst hervorbringt, wenn sie der Natur Gewalt thut und sie | ||||||
06 | nöthigt, nicht nach ihren Zwecken zu verfahren, sondern sich in die unsrigen | ||||||
07 | zu schmiegen, (der Ähnlichkeit derselben mit Häusern, Schiffen, Uhren) | ||||||
08 | schließt, es werde eben eine solche Causalität, nämlich Verstand und Wille, | ||||||
09 | bei ihr zum Grunde liegen, wenn sie die innere Möglichkeit der freiwirkenden | ||||||
10 | Natur (die alle Kunst und vielleicht selbst sogar die Vernunft zuerst | ||||||
11 | möglich macht) noch von einer anderen, obgleich übermenschlichen | ||||||
12 | Kunst ableitet, welche Schlußart vielleicht die schärfste transscendentale | ||||||
13 | Kritik nicht aushalten dürfte: muß man doch gestehen, daß, wenn wir einmal | ||||||
14 | eine Ursache nennen sollen, wir hier nicht sicherer als nach der Analogie | ||||||
15 | mit dergleichen zweckmäßigen Erzeugungen, die die einzigen sind, wovon | ||||||
16 | uns die Ursachen und Wirkungsart völlig bekannt sind, verfahren können. | ||||||
17 | Die Vernunft würde es bei sich selbst nicht verantworten können, wenn sie | ||||||
18 | von der Causalität, die sie kennt, zu dunkeln und unerweislichen Erklärungsgründen, | ||||||
19 | die sie nicht kennt, übergehen wollte. | ||||||
20 | Nach diesem Schlusse müßte die Zweckmäßigkeit und Wohlgereimtheit | ||||||
21 | so vieler Naturanstalten bloß die Zufälligkeit der Form, aber nicht | ||||||
22 | der Materie, d. i. der Substanz in der Welt, beweisen; denn zu dem letzteren | ||||||
23 | würde noch erfordert werden, daß bewiesen werden könnte, die Dinge | ||||||
24 | der Welt wären an sich selbst zu dergleichen Ordnung und Einstimmung | ||||||
25 | nach allgemeinen Gesetzen untauglich, wenn sie nicht, selbst ihrer Substanz | ||||||
26 | nach, das Product einer höchsten Weisheit wären; wozu aber ganz | ||||||
27 | andere Beweisgründe, als die von der Analogie mit menschlicher Kunst | ||||||
28 | erfordert werden würden. Der Beweis könnte also höchstens einen Weltbaumeister, | ||||||
29 | der durch die Tauglichkeit des Stoffs, den er bearbeitet, | ||||||
30 | immer sehr eingeschränkt wäre, aber nicht einen Weltschöpfer, dessen | ||||||
31 | Idee alles unterworfen ist, darthun, welches zu der großen Absicht, die | ||||||
32 | man vor Augen hat, nämlich ein allgenugsames Urwesen zu beweisen, bei | ||||||
33 | weitem nicht hinreichend ist. Wollten wir die Zufälligkeit der Materie | ||||||
34 | selbst beweisen, so müßten wir zu einem transscendentalen Argumente unsere | ||||||
35 | Zuflucht nehmen, welches aber hier eben hat vermieden werden sollen. | ||||||
36 | Der Schluß geht also von der in der Welt so durchgängig zu beobachtenden | ||||||
37 | Ordnung und Zweckmäßigkeit, als einer durchaus zufälligen Einrichtung, | ||||||
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