Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 255

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ob wir nun gleich von den transscendentalen Vernunftbegriffen sagen      
  02 müssen: sie sind nur Ideen, so werden wir sie doch keinesweges für überflüssig      
  03 und nichtig anzusehen haben. Denn wenn schon dadurch kein Object      
  04 bestimmt werden kann, so können sie doch im Grunde und unbemerkt      
  05 dem Verstande zum Kanon seines ausgebreiteten und einhelligen Gebrauchs      
  06 dienen, dadurch er zwar keinen Gegenstand mehr erkennt, als er      
  07 nach seinen Begriffen erkennen würde, aber doch in dieser Erkenntniß      
  08 besser und weiter geleitet wird. Zu geschweigen, daß sie vielleicht von      
  09 den Naturbegriffen zu den praktischen einen Übergang möglich machen      
  10 und den moralischen Ideen selbst auf solche Art Haltung und Zusammenhang      
  11 mit den speculativen Erkenntnissen der Vernunft verschaffen      
  12 können. Über alles dieses muß man den Aufschluß in dem Verfolg erwarten.      
           
  14 Unserer Absicht gemäß setzen wir aber hier die praktischen Ideen bei      
  15 Seite und betrachten daher die Vernunft nur im speculativen und in diesem      
  16 noch enger, nämlich nur im transscendentalen Gebrauch. Hier müssen      
  17 wir nun denselben Weg einschlagen, den wir oben bei der Deduction      
  18 der Kategorien nahmen: nämlich die logische Form der Vernunfterkenntniß      
  19 erwägen und sehen, ob nicht etwa die Vernunft dadurch auch ein      
  20 Quell von Begriffen werde, Objecte an sich selbst als synthetisch a priori      
  21 bestimmt in Ansehung einer oder der andern Function der Vernunft anzusehen.      
           
  23 Vernunft, als Vermögen einer gewissen logischen Form der Erkenntniß      
  24 betrachtet, ist das Vermögen zu schließen, d. i. mittelbar (durch die      
  25 Subsumtion der Bedingung eines möglichen Urtheils unter die Bedingung      
  26 eines gegebenen) zu urtheilen. Das gegebene Urtheil ist die allgemeine      
  27 Regel (Obersatz, Major ). Die Subsumtion der Bedingung eines      
  28 andern möglichen Urtheils unter die Bedingung der Regel ist der Untersatz      
  29 ( Minor ). Das wirkliche Urtheil, welches die Assertion der Regel      
  30 in dem subsumirten Falle aussagt, ist der Schlußsatz ( Conclusio ).      
  31 Die Regel nämlich sagt etwas allgemein unter einer gewissen Bedingung.      
  32 Nun findet in einem vorkommenden Falle die Bedingung der Regel statt.      
  33 Also wird das, was unter jener Bedingung allgemein galt, auch in dem      
  34 vorkommenden Falle (der diese Bedingung bei sich führt) als gültig angesehen.      
  35 Man sieht leicht, daß die Vernunft durch Verstandeshandlungen,      
  36 welche eine Reihe von Bedingungen ausmachen, zu einem Erkenntnisse      
  37 gelange. Wenn ich zu dem Satze: alle Körper sind veränderlich, nur dadurch      
           
     

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