Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 253 |
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01 | absolut nothwendig ist, dessen Gegentheil sei innerlich unmöglich, d. i. | ||||||
02 | die absolute Nothwendigkeit der Dinge sei eine innere Nothwendigkeit; | ||||||
03 | denn diese innere Nothwendigkeit ist in gewissen Fällen ein ganz | ||||||
04 | leerer Ausdruck, mit welchem wir nicht den mindesten Begriff verbinden | ||||||
05 | können, dagegen der von der Nothwendigkeit eines Dinges in aller Beziehung | ||||||
06 | (auf alles mögliche) ganz besondere Bestimmungen bei sich führt. | ||||||
07 | Weil nun der Verlust eines Begriffs von großer Anwendung in der speculativen | ||||||
08 | Weltweisheit dem Philosophen niemals gleichgültig sein kann, so | ||||||
09 | hoffe ich, es werde ihm die Bestimmung und sorgfältige Aufbewahrung | ||||||
10 | des Ausdrucks, an dem der Begriff hängt, auch nicht gleichgültig sein. | ||||||
11 | In dieser erweiterten Bedeutung werde ich mich denn des Worts | ||||||
12 | absolut bedienen und es dem bloß comparativ oder in besonderer Rücksicht | ||||||
13 | Gültigen entgegensetzen; denn dieses letztere ist auf Bedingungen | ||||||
14 | restringirt, jenes aber gilt ohne Restriction. | ||||||
15 | Nun geht der transscendentale Vernunftbegriff jederzeit nur auf die | ||||||
16 | absolute Totalität in der Synthesis der Bedingungen und endigt niemals | ||||||
17 | als bei dem schlechthin, d. i. in jeder Beziehung Unbedingten. Denn die | ||||||
18 | reine Vernunft überläßt alles dem Verstande, der sich zunächst auf die | ||||||
19 | Gegenstände der Anschauung oder vielmehr deren Synthesis in der Einbildungskraft | ||||||
20 | bezieht. Jene behält sich allein die absolute Totalität im | ||||||
21 | Gebrauche der Verstandesbegriffe vor und sucht die synthetische Einheit, | ||||||
22 | welche in der Kategorie gedacht wird, bis zum Schlechthin=Unbedingten | ||||||
23 | hinauszuführen. Man kann daher diese die Vernunfteinheit der Erscheinungen, | ||||||
24 | so wie jene, welche die Kategorie ausdrückt, Verstandeseinheit | ||||||
25 | nennen. So bezieht sich demnach die Vernunft nur auf den | ||||||
26 | Verstandesgebrauch und zwar nicht, so fern dieser den Grund möglicher | ||||||
27 | Erfahrung enthält (denn die absolute Totalität der Bedingungen ist kein | ||||||
28 | in einer Erfahrung brauchbarer Begriff, weil keine Erfahrung unbedingt | ||||||
29 | ist), sondern um ihm die Richtung auf eine gewisse Einheit vorzuschreiben, | ||||||
30 | von der der Verstand keinen Begriff hat, und die darauf hinaus geht, alle | ||||||
31 | Verstandeshandlungen in Ansehung eines jeden Gegenstandes in ein absolutes | ||||||
32 | Ganzes zusammen zu fassen. Daher ist der objective Gebrauch | ||||||
33 | der reinen Vernunftbegriffe jederzeit transscendent, indessen daß der | ||||||
34 | von den reinen Verstandesbegriffen seiner Natur nach jederzeit immanent | ||||||
35 | sein muß, indem er sich bloß auf mögliche Erfahrung einschränkt. | ||||||
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