Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 100 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | sind, und dieser ihre Befugniß bedarf jederzeit einer Deduction: | ||||||
| 02 | weil zu der Rechtmäßigkeit eines solchen Gebrauchs Beweise aus der Erfahrung | ||||||
| 03 | nicht hinreichend sind, man aber doch wissen muß, wie diese Begriffe | ||||||
| 04 | sich auf Objecte beziehen können, die sie doch aus keiner Erfahrung | ||||||
| 05 | hernehmen. Ich nenne daher die Erklärung der Art, wie sich Begriffe | ||||||
| 06 | a priori auf Gegenstände beziehen können, die transscendentale Deduction | ||||||
| 07 | derselben und unterscheide sie von der empirischen Deduction, | ||||||
| 08 | welche die Art anzeigt, wie ein Begriff durch Erfahrung und Reflexion | ||||||
| 09 | über dieselbe erworben worden, und daher nicht die Rechtmäßigkeit, sondern | ||||||
| 10 | das Factum betrifft, wodurch der Besitz entsprungen. | ||||||
| 11 | Wir haben jetzt schon zweierlei Begriffe von ganz verschiedener Art, | ||||||
| 12 | die doch darin mit einander übereinkommen, daß sie beiderseits völlig | ||||||
| 13 | a priori sich auf Gegenstände beziehen, nämlich die Begriffe des Raumes | ||||||
| 14 | und der Zeit als Formen der Sinnlichkeit und die Kategorien als Begriffe | ||||||
| 15 | des Verstandes. Von ihnen eine empirische Deduction versuchen wollen, | ||||||
| 16 | würde ganz vergebliche Arbeit sein, weil eben darin das Unterscheidende | ||||||
| 17 | ihrer Natur liegt, daß sie sich auf ihre Gegenstände beziehen, ohne etwas | ||||||
| 18 | zu deren Vorstellung aus der Erfahrung entlehnt zu haben. Wenn also | ||||||
| 19 | eine Deduction derselben nöthig ist, so wird sie jederzeit transscendental | ||||||
| 20 | sein müssen. | ||||||
| 21 | Indessen kann man von diesen Begriffen, wie von allem Erkenntniß | ||||||
| 22 | wo nicht das Principium ihrer Möglichkeit, doch die Gelegenheitsursachen | ||||||
| 23 | ihrer Erzeugung in der Erfahrung aufsuchen; wo alsdann die Eindrücke | ||||||
| 24 | der Sinne den ersten Anlaß geben, die ganze Erkenntnißkraft in Ansehung | ||||||
| 25 | ihrer zu eröffnen und Erfahrung zu Stande zu bringen, die zwei sehr ungleichartige | ||||||
| 26 | Elemente enthält, nämlich eine Materie zur Erkenntniß aus | ||||||
| 27 | den Sinnen und eine gewisse Form, sie zu ordnen, aus dem innern | ||||||
| 28 | Quell des reinen Anschauens und Denkens, die bei Gelegenheit der ersteren | ||||||
| 29 | zuerst in Ausübung gebracht werden und Begriffe hervorbringen. Ein | ||||||
| 30 | solches Nachspüren der ersten Bestrebungen unserer Erkenntnißkraft, um | ||||||
| 31 | von einzelnen Wahrnehmungen zu allgemeinen Begriffen zu steigen, hat | ||||||
| 32 | ohne Zweifel seinen großen Nutzen, und man hat es dem berühmten Locke | ||||||
| 33 | zu verdanken, daß er dazu zuerst den Weg eröffnet hat. Allein eine Deduction | ||||||
| 34 | der reinen Begriffe a priori kommt dadurch niemals zu Stande, | ||||||
| 35 | denn sie liegt ganz und gar nicht auf diesem Wege, weil in Ansehung | ||||||
| 36 | ihres künftigen Gebrauchs, der von der Erfahrung gänzlich unabhängig | ||||||
| 37 | sein soll, sie einen ganz andern Geburtsbrief, als den der Abstammung | ||||||
| [ Seite 099 ] [ Seite 101 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||