Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 089 |
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01 | betrachtet. Der hypothetische Satz: wenn eine vollkommene Gerechtigkeit | ||||||
02 | da ist, so wird der beharrlich Böse bestraft, enthält eigentlich | ||||||
03 | das Verhältniß zweier Sätze: es ist eine vollkommene Gerechtigkeit da, | ||||||
04 | und: der beharrlich Böse wird bestraft. Ob beide dieser Sätze an sich wahr | ||||||
05 | sind, bleibt hier unausgemacht. Es ist nur die Consequenz, die durch | ||||||
06 | dieses Urtheil gedacht wird. Endlich enthält das disjunctive Urtheil ein | ||||||
07 | Verhältniß zweier oder mehrerer Sätze gegen einander, aber nicht der Abfolge, | ||||||
08 | sondern der logischen Entgegensetzung, sofern die Sphäre des einen | ||||||
09 | die des andern ausschließt, aber doch zugleich der Gemeinschaft, in sofern | ||||||
10 | sie zusammen die Sphäre der eigentlichen Erkenntniß ausfüllen, also ein | ||||||
11 | Verhältniß der Theile der Sphäre eines Erkenntnisses, da die Sphäre | ||||||
12 | eines jeden Theils ein Ergänzungsstück der Sphäre des andern zu dem | ||||||
13 | ganzen Inbegriff der eingetheilten Erkenntniß ist; z. E. die Welt ist entweder | ||||||
14 | durch einen blinden Zufall da, oder durch innre Nothwendigkeit, | ||||||
15 | oder durch eine äußere Ursache. Jeder dieser Sätze nimmt einen Theil der | ||||||
16 | Sphäre des möglichen Erkenntnisses über das Dasein einer Welt überhaupt | ||||||
17 | ein, alle zusammen die ganze Sphäre. Das Erkenntniß aus einer | ||||||
18 | dieser Sphären wegnehmen, heißt, sie in eine der übrigen setzen, und dagegen | ||||||
19 | sie in eine Sphäre setzen, heißt, sie aus den übrigen wegnehmen. | ||||||
20 | Es ist also in einem disjunctiven Urtheile eine gewisse Gemeinschaft der | ||||||
21 | Erkenntnisse, die darin besteht, daß sie sich wechselseitig einander ausschließen, | ||||||
22 | aber dadurch doch im Ganzen die wahre Erkenntniß bestimmen, | ||||||
23 | indem sie zusammengenommen den ganzen Inhalt einer einzigen gegebenen | ||||||
24 | Erkenntniß ausmachen. Und dieses ist es auch nur, was ich des | ||||||
25 | folgenden Wegen hiebei anzumerken nöthig finde. | ||||||
26 | 4. Die Modalität der Urtheile ist eine ganz besondere Function derselben, | ||||||
27 | die das Unterscheidende an sich hat, daß sie nichts zum Inhalte | ||||||
28 | des Urtheils beiträgt (denn außer Größe, Qualität und Verhältniß ist | ||||||
29 | nichts mehr, was den Inhalt eines Urtheils ausmachte), sondern nur den | ||||||
30 | Werth der Copula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht. | ||||||
31 | Problematische Urtheile sind solche, wo man das Bejahen oder Verneinen | ||||||
32 | als bloß möglich (beliebig) annimmt; assertorische, da es als | ||||||
33 | wirklich (wahr) betrachtet wird; apodiktische, in denen man es als | ||||||
34 | nothwendig ansieht.*) So sind die beiden Urtheile, deren Verhältniß | ||||||
*) Gleich als wenn das Denken im ersten Fall eine Function des Verstandes, im zweiten der Urtheilskraft, im dritten der Vernunft wäre. Eine Bemerkung, die erst in der Folge ihre Aufklärung erwartet. | |||||||
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